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Merkel und ihr Neuer. Philipp Rösler durfte die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem G-8-Gipfel von einem neuen Platz aus verfolgen: direkt neben ihr als Vizekanzler.

© dapd

G-8-Gipfel: Merkel fordert weltweite Akw-Sicherheitstests

Kanzlerin Merkel will sich beim G-8-Gipfel am Nachmittag für globale Sicherheitsüberprüfungen einsetzen. Außerdem kündigt sie im Bundestag Millionen-Hilfe für Nordafrika an. Trotzdem hagelt es Kritik.

Guido Westerwelle ist etwas nach rechts gerückt. Er hat Platz gemacht für seinen Nachfolger. Nicht als Außenminister, der ist er immer noch, sondern als Vizekanzler. Denn nun sitzt Philipp Rösler (FDP), Bundeswirtschaftsminister und neuer FDP-Chef, neben der Kanzlerin auf der Regierungsbank im Deutschen Bundestag. Dabei hätte es doch so gut gepasst, wenn Kanzlerin und Außenminister bei dieser Regierungserklärung im Vorfeld des am Nachmittag beginnenden G-8-Gipfels im französischen Deauville von Angela Merkel dicht beieinander gesessen hätten. Denn es ging um den Arabischen Frühling, die Umbrüche in Ägypten und Thailand sowie den Stillstand im Nahost-Konflikt. Alles Außenpolitik, alles Westerwelle-Themen. Und damit er nicht ganz aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerät an diesem Tag, hat Merkel ihn auch noch einmal explizit erwähnt und darauf hingewiesen, dass er "in diesen Stunden an einer UN-Resolution" arbeitet, die Sanktionen gegen Syrien beinhalten soll. In dieser Minute aber nickt Westerwelle nur dankend.

Dann setzt Merkel ihren Parforceritt durch die Themen dieses Gipfels fort. Sie spricht von einer "Zeitenwende" in der Arabischen Welt und davon, dass diese Länder "in solchen Zeiten Partner an ihrer Seite brauchen". Ein solcher Partner will Deutschland sein und ein solcher Partner soll auch die internationale Gemeinschaft sein. "Wir müssen dazu beitragen, dass die ersten politischen Fortschritte nicht durch wirtschaftliche Instabilität gefährdet werden", sagte Merkel. In Ländern wie Tunesien und Ägypten sei die Arbeitslosigkeit und der Mangel an Perspektiven „erschreckend groß“. Der Wandel in der arabischen Welt soll am Donnerstagabend bei einem Abendessen des G-8-Gipfels Thema sein. Am Freitag beteiligen sich zudem die Regierungschefs von Ägypten und Tunesien, Essam Scharaf und Béji Caïd Essebsi, an den Gesprächen. Merkel betont die „historische europäische Verpflichtung, den Menschen, die heute in Nordafrika und in Teilen der arabischen Welt für Freiheit und Selbstbestimmung auf die Straße gehen, zur Seite zu stehen“. Konkret werde die Bundesregierung den demokratischen Wandel in der Region mit mehr als 30 Millionen Euro in diesem Jahr unterstützen. Es folgen weitere hundert Millionen in den nächsten Jahren. Angestrebt sei die Schaffung von 5000 neuen Arbeitsplätzen und eine Verbesserung der Ausbildungsstrukturen. Tunesien solle bei der Vermittlung und Qualifizierung arbeitsloser Akademiker sowie und beim Aufbau eines Sektors kleinerer und mittlerer Unternehmen durch Beratung und Finanzhilfen gezielt unterstützt werden. Diese Programme könnten durch eine vierjährige Schuldenwandlung in Höhe von 300 Millionen Euro finanziert werden.

Merkel: Internationale Sicherheitsüberprüfung für Atomkraftwerke

Das zweite große Thema des G-8-Gipfels wird die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima sein. In diesem Zusammenhang betonte Merkel, dass es nicht nur in Deutschland eine kritische Sicherheitsprüfung bestehender Atomkraftwerke geben müsse, sondern international. Dafür wolle sie sich auf dem Gipfel einsetzen. Inwiefern das von Erfolg gekrönt sein wird, ist fraglich. Denn die Bundesregierung steht mit ihrem Schwenk in der Atompolitik relativ allein da unter den acht führenden Industrienationen. Dafür hob Merkel die Rolle Deutschlands als Motor der Weltwirtschaft hervor. "Der Aufschwung festigt sich, Deutschland leistet dazu einen spürbaren Beitrag", sagte Merkel.

Die anderen Themen des Gipfels tippte Merkel in ihrer knapp 30minütigen Regierungserklärung mehr an als dass sie ausführlich darauf einging: das Verhältnis der G8 zur Subsahara-Region und die Zukunft des Internets. Entsprechend scharf fiel die Antwort der Opposition aus. "Niemand hat Sie gezwungen, hier heute Morgen 'ne Regierungserklärung abzugeben. Aber ich finde, wenn Sie eine abgeben, hat das Parlament mehr verdient als diesen leidenschaftslosen Rechenschaftsbericht", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in seiner Replik auf die Regierungserklärung. Die Welt brenne doch und die internationale Gemeinschaft erwarte in dieser Situation mehr von Deutschland. "Was ist unsere Antwort auf die Nahost-Krise, die Rolle Pakistans und den Umbruch in der Arabischen Welt?", fragt der Ex-Außenminister. Das sei "Außenpolitik in Lethargie", sagt Steinmeier.

Scharfe Debatte um Nahost-Politik

Insbesondere im Nahost-Konflikt verlangt Steinmeier eine aktivere Rolle Deutschlands. Es könne nicht sein, dass Deutschland nur noch "Zuhörer“ sei und an der "Seitenlinie stehe, wenn Obama sich mit der
Kraft seines Amtes dafür einsetze, eine Friedenslösung möglich zu machen". Es reiche nicht aus, wenn Deutschland ein Nein zur Abstimmung über ein unabhängiges Palästina in der UN-Generalversammlung ankündige. Die öffentliche Festlegung zum jetzigen Zeitpunkt sei vielmehr so etwas wie eine "Card Blanche" für alle, die keine Verhandlungen wollten. Steinmeier mahnt vor allem einen kritischeren Umgang mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu an. Darauf hatte Merkel verzichtet. In ihrer Regierungserklärung forderte sie beide Seiten, also Palästinenser und Israelis, auf, den Stillstand zu überwinden. Deutschland schärfer argumentierte Unionsfraktionschef Volker Kauder. Er warf Netanjahu mangelnden Einsatz für eine Friedenslösung im Nahen Osten vor. "Sich abzuschotten, macht überhaupt keinen Sinn", sagte Kauder. Er verwies auf die Verweis auf die Demokratiebewegungen in Nordafrika und forderte, dass auch die jungen Palästinenser eine Zukunftsperspektive erhalten müssten. "Nur zu sagen
wie es Netanjahu tut, wir machen weiter wie bisher, wird diese junge, kräftige, nach Freiheit strebende Generation in Nordafrika nicht zufriedenstellen.“

Grüne fordern, Flüchtlinge aus Nordafrika aufzunehmen

Die Grünen haben in ihrer Antwort die Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus den nordafrikanischen Umbruchländern gefordert. Deutschland müsse dabei mit großzügigen Angeboten vorangehen, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. Als „blanke Schäbigkeit“ bezeichnete er die Bereitschaft in der EU, Flüchtlinge aufzunehmen. Das über Grenzkontrollen nachgedacht werde, sei beschämend.

Dagegen gab es Lob von ungewohnter Seite. Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, begrüßte die Entscheidung, sich nicht an den Nato-Militäraktionen gegen Libyen zu beteiligen. Denn dabei dominiere nur noch die "Kriegslogik“.

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