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Demonstrative Geschlossenheit. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf dem G20-Gipfel im türkischen Antalya am Montag bei einer Schweigeminute für die Opfer der Anschläge von Paris.

© Fatih Aktas/Reuters/Pool

G20-Gipfel in Antalya: Risse in der gemeinsamen Front gegen den Terror

Die Abschlusserklärung des G20-Gipfels klingt nach großer Gemeinsamkeit im Kampf gegen den Terror. Doch im Hintergrund gibt es Ärger: Die Türkei wirft Frankreich schwere Sicherheitspannen vor.

Die Formulierungen für die Abschlusserklärung des G20-Gipfels von Antalya klangen verheißungsvoll. Nach dem Schock der Anschlagsserie von Paris bekannten sich die Staats- und Regierungschefs der 20 reichsten Nationen der Erde dazu, die Bedrohung durch die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) gemeinsam anzugehen. Es soll einen besseren Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und bessere Kontrollen zur Identifizierung potenzieller Gewalttäter geben. Doch die neue Front gegen den IS bröckelte schon, bevor die Abschlusserklärung von Antalya veröffentlicht war. Die Türkei warf Frankreich im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris eine „massive Sicherheitspanne“ vor.

Als direkte Nachbarin des IS-Machtbereichs in Syrien und im Irak ist die Türkei das wichtigste Transitland für islamistische Extremisten, die zum IS wollen oder in ihre europäischen Heimatländer zurückkehren. Der Fund eines syrischen Passes an einem der Tatorte in Paris legte nahe, dass zumindest einer der Attentäter über die Türkei nach Europa gelangt war: Der Mann war am 3. Oktober auf der griechischen Ägäis-Insel Leros als Flüchtling registriert worden.

Damit wird ein Vorwurf neu belebt, dem sich die Türkei bereits seit langem ausgesetzt sieht. Ankara unternehme nicht genug gegen Terror-Touristen, die nach Syrien oder wieder nach Europa wollten, heißt es. Die türkische Regierung wehrt sich mit dem Hinweis, dass mehr als 15.000 Namen auf einer Schwarzen Liste von Personen stehen, die nicht in die Türkei einreisen dürfen. Zudem seien mehrere tausend Ausländer in der Türkei unter IS-Verdacht festgenommen und abgeschoben worden. Kurz vor dem G-20-Gipfel fingen türkische Flughafenpolizisten eine Gruppe von 40 Marokkanern ab, die mit einem syrischen Begleiter nach Istanbul gekommen waren, um nach Syrien weiterzureisen. 

Umgekehrt wirft die Türkei ihren europäischen Partnern vor, nicht genug Erkenntnisse über potenzielle IS-Anhänger aus ihren Ländern an türkische Stellen zu melden und nur sehr ungenügend auf Warnhinweise hinsichtlich gefährlicher Extremisten zu reagieren.

Die Anschläge von Paris lieferten dafür ein neues Beispiel, hieß es am Montag in türkischen Regierungskreisen. Demnach wussten türkische und französische Geheimdienste seit Monaten über die Gefährlichkeit von Omar Ismail Mostefei Bescheid, der am Freitag zu den Attentätern von Paris gehörte und sich zusammen mit anderen Tätern nach dem Blutbad in der Konzerthalle Bataclan in die Luft sprengte. 

Der französische Staatsbürger Mostefei reiste demnach vor zwei Jahren in die Türkei ein; eine Ausreise sei nie registriert worden. Als die französische Polizei im Herbst vergangenen Jahres die türkischen Kollegen um Hilfe bei Ermittlungen gegen vier mutmaßliche IS-Extremisten bat, ergaben die türkischen Ermittlungen die Hinweise auf Mostefei. Die Türkei habe Frankreich im Dezember 2014 und im Juni diesen Jahres vor Mostefei gewarnt, aber keine Antwort erhalten, sagte ein türkischer Regierungsvertreter. Erst nach der Gewaltnacht von Paris am Freitag habe sich die französische Polizei bei ihren türkischen Kollegen nach Mostefei erkundigt.

Nun sei nicht die Zeit für gegenseitige Vorwürfe, hieß es auf türkischer Seite – bevor dann aber trotzdem heftige Kritik an Frankreich geübt wurde. Von einer „massiven Sicherheitspanne“ in Frankreich war die Rede und davon, dass „geheimdienstlicher Datenaustausch und effiziente Kommunitaktion“ beim Kampf gegen den Terrorismus von höchster Bedeutung seien. „Die türkische Regierung erwartet für die Zukunft eine engere Kooperation seitens ihrer Verbündeten.“ Die Geschlossenheit von Antalya währte nur kurz.

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