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G8: Gipfel der kleinen Fortschritte

Der G8-Gipfel im schottischen Gleneagles wird die Welt nicht verändern, aber dennoch gewichtige Folgen haben.

Gleneagles (08.07.2005, 17:14 Uhr) - «Es ist ein Anfang», gestand der britische Premier Tony Blair zum Ende am Freitag bescheiden ein. Wer auf revolutionäre Schritte für die Verbesserung des Klimas oder die Hilfe für die Armen in der Welt gehofft hatte, muss enttäuscht sein. Aber selbst der in Umweltfragen starrköpfige US-Präsident George W. Bush sieht nun Handlungsbedarf beim Weltklima und viele Länder der Dritten Welt dürfen neue Hoffnung auf mehr Unterstützung hegen.

Allerdings führten die blutigen Terroranschläge von London den Staats- und Regierungschefs der sieben reichsten Länder und Russlands ebenso wie den Staatsmännern aus China, Indien oder Brasilien dramatisch vor Augen, dass vielleicht doch die wichtigste Herausforderung zu Beginn des 21. Jahrhunderts der islamistische Terrorismus ist - so wie Bush und Blair immer sagten. Dennoch darf sich nach diesem Gipfel kaum jemand als Sieger fühlen. Nicht einmal das Versprechen auf Schulderlass und mehr Finanzhilfe wird die Benachteiligung der afrikanischen Staaten im Welthandel aufwiegen können.

Die Aufstockung der Entwicklungshilfe um 50 Milliarden US-Dollar im Jahr bis 2010 kann Blair allerdings als seinen Erfolg und als ein eindrucksvolles Signal der Reichen an die Armen der Welt verbuchen. Bush sprach sogar von einer «historischem Engagement für Afrika». Doch auch Bush weiß, dass das Versprechen, neue Handelsmöglichkeiten oder mehr Hilfe im Kampf gegen Aids «die Welt nicht sofort verändern wird». Wie die teure Zusage finanziert werden kann, blieb auch offen.

Entwicklungsexperten meinen ohnehin, dass es viel wichtiger wäre, die Rahmenbedingungen im Welthandel zu verändern. Wenn die Industriestaaten ihre Märkte öffneten oder ihre Landwirtschaft nicht weiter derart hoch subventionierten, hätten afrikanische Staaten mit ihren Produkten auch eine Chance. Zwar versprachen die G8-Staaten das Thema Agrarsubventionen und Handelsbarrieren anzugehen - aber verpflichtende Formulierungen waren kaum dabei.

Der Gipfel hatte zudem auch deutliche Forderungen an Afrika. Bush, Blair und Bundeskanzler Gerhard Schröder machten deutlich, dass es nicht darum gehen könne, korrupte Regime zu unterstützen. Ohne politische Reformen würden die Hilfen nicht bei den leidenden Menschen ankommen. «Geld ist wichtig, aber nicht entscheidend», betonte Blair. Rechtstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung seien zentrale Bedingungen für einen Ausweg aus dem Elend.

Besonders enttäuscht vom Gipfel sind die Umweltschützer. Die G-8-Klimaerklärung ist kaum mehr als eine unverbindliche, allgemein gehaltene Willenserklärung ohne jede Zielvorgabe für eine Verringerung der schädlichen Treibhausgase. Der Gipfel habe «eine wichtige Gelegenheit verpasst, wirklich etwas gegen den Klimawandel zu tun», kritisierte Greenpeace. Die Umweltorganisationen Friends of Earth und WWF meinten, dass «rein gar nichts» erreicht worden sei.

Die geplante stärkere Einbeziehung Chinas und Indiens nicht nur in den Kampf gegen die globale Erwärmung, sondern auch die Koordinierung der Weltwirtschaft gelang in Gleneagles nicht wirklich. Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao blieb beim Klimawandel unverbindlich und machte deutlich, dass die Chinesen nicht weiter Fahrrad fahren wollten, damit Amerikaner dicke Autos fahren können. Sein Auftritt wurde wenig beachtet, doch konnte sich der neue Führer Chinas zumindest seinem Milliardenvolk daheim als Staatsmann im Kreis der Mächtigen präsentieren. Hoffnungen, dass die heute bereits siebtgrößte Wirtschaftsmacht in den illustren Club aufgenommen werden könnte, wurden enttäuscht.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso fand es «keine gute Idee», die G8 schnell zu erweitern. Japan legte mit einem Hinweis auf mangelnde Demokratie und die Menschenrechtsverstöße in China den Finger in die Wunde. Was wie eine Retourkutsche für Chinas Widerstand gegen Japans Aufnahme als ständiges Mitglied in den Weltsicherheitsrat erschien, zeigte einmal mehr, wie die Spannungen der asiatischen Nachbarn die UN-Reform komplizieren und Deutschlands Ambitionen torpedieren, neben Japan aufgenommen zu werden.

Das Treffen von Gleneagles wird als der erste von Terroranschlägen überschattete G8-Gipfel in die Geschichte eingehen. «Der Krieg gegen den Terrorismus geht weiter», betonte Bush, der sich in seiner Weltsicht bestätigt sieht. Kritisch merkten allerdings US-Medien an, dass mit den Bomben von London ein wichtiges Argument von Bush entwertet worden sei. Denn dieser hat auch den Irakrieg mit dem Verweis gerechtfertigt, man führe «den Krieg gegen die Terroristen im Ausland. Wir müssen sie dort schlagen, bevor sie uns zu Hause angreifen können». Die Anschläge in London zeigten allerdings die Verwundbarkeit beim wichtigsten Bündnispartner in der «Allianz der Willigen». (Von Andreas Landwehr und Laszlo Trankovits, dpa)

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