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Politik: Gabi Zimmer im Interview: "An uns kommt niemand mehr vorbei"

Vor Ihrer Wahl zur PDS-Chefin auf dem Parteitag in Cottbus haben Sie gesagt, sie seien vielleicht nur eine Übergangsvorsitzende. Ist das so?

Vor Ihrer Wahl zur PDS-Chefin auf dem Parteitag in Cottbus haben Sie gesagt, sie seien vielleicht nur eine Übergangsvorsitzende. Ist das so?

Nein. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich diese Herausforderung annehmen und kandidieren soll. Aber schon in Cottbus war mir völlig klar, dass es hier nicht um eine Übergangszeit von zwei Jahren geht. Es geht um einen Zeitraum, in dem in der PDS eine Veränderung durchzusetzen ist. Ich will also für mehrere Jahre Vorsitzende der PDS bleiben. Wir wollen in dieser Zeit durchsetzen, was wir als Öffnung zur Gesellschaft bezeichnen.

Warum haben ihr Vorgänger Lothar Bisky und Gregor Gysi das nicht geschafft?

Wir haben nach 1989 in erster Linie darum kämpfen müssen, uns selbst zu behaupten. Es ging immer um existenzielle Fragen der PDS. Mit der Bundestagswahl 1998 und der Europawahl 1999 ist die PDS von den Wählern aber in eine andere Situation gebracht worden. Jetzt ist klar, diese PDS ist und bleibt Bestandteil der politischen Ordnung der Bundesrepublik. An uns kommt niemand mehr vorbei. Das hat das Interesse an konkreten politischen Angeboten von uns immer erhöht.

Ist die Arbeit als PDS-Chefin nach den ersten 100 Tagen im Amt mühsamer als Sie gedacht haben?

Ich bin immer davon ausgegangen, dass es eine sehr komplizierte Aufgabe ist. Man kann eine Partei nicht innerhalb kurzer Zeit umstellen in ihrer ganzen Arbeitsweise, in ihrer Art, öffentlich Probleme aufzugreifen. Ich denke aber, wir sind da auch in den letzten Monaten schon ein ganzes Stück weiter gekommen.

Aber seit dem Wechsel von Gysi zu Claus und von Bisky zu Ihnen wird die PDS auf Bundesebene kaum noch wahrgenommen.

Wir führen doch auch gerade ein Gespräch. Nun, die etwas geringere bundespolitische Aufmerksamkeit hat unterschiedliche Gründe. Zum einen waren die Medien in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf Gysi und Bisky fixiert, wenn es um die PDS ging. Nun wird erst einmal abgewartet, was denn nach diesem Führungswechsel an der Spitze der PDS passiert. Werden die Neuen sich durchsetzen können? Und es gibt noch eine zweite Ebene. Wir müssen unsere politischen Inhalte erkennbarer vermitteln als in der Vergangenheit. Wir müssen uns stärker in den aktuellen Auseinandersetzungen zu Wort melden. Da haben wir noch Nachholbedarf. Wenn Sie zum Beispiel Leute auf der Straße fragen, worin besteht denn das Konzept zur Rente, dann bekommen Sie oft nur zur Antwort: Wir wissen gar nicht, dass die eins haben.

Das ist kein typisches PDS-Problem. Inhalte sind schwer zu vermitteln. Muss die Partei deswegen nicht auf der Ebene symbolischer Politik stärker werden? Das Abendessen Ihres Vorgängers mit dem Kanzler hat ja gezeigt, was das bringt. Oder auch die Koalitionsdebatten zwischen SPD und PDS. Sollten Sie nicht auch bald einmal mit dem Kanzler essen gehen?

Wir würden bei einem Essen wohl kaum über künftige Koalitionen sprechen. Ich halte es aber für wichtig, dass wir gegenseitig Erfahrungen sammeln, sowohl SPD, Grüne als auch wir. Insofern hätte ein Gespräch mit dem Kanzler seinen Sinn, um zu prüfen, wie weit man überhaupt miteinander kooperieren kann. Doch alles zu seiner Zeit. Gerade meine Erfahrungen in Thüringen haben mir gezeigt: Wenn vorher nicht klar und deutlich wird, an welchen Punkten konkrete Alternativen auch wirklich möglich sind, haben auch Debatten über Koalitionen keinen Sinn. Dann geht auch niemand zur Wahl, weil er genau das will.

Sehen Sie sich von SPD und Grünen links liegen gelassen?

Überhaupt nicht. Alle Parteien begeben sich jetzt im Prinzip schon in die Startlöcher zur Bundestagswahl im nächsten Jahr. Da versucht man nicht, sich gegenseitig irgendwo hochzubringen. Da hören die Streicheleinheiten auf.

Und wenn die Zahlen es nach 2002 zulassen. Was wäre Ihnen lieber, Rot-Rot-Grün oder Rot-Grün, Rot-Blau?

Das wird man sehen müssen, wenn es soweit ist. Natürlich wäre es mir lieber, wenn wir in Deutschland zu einem Politikwechsel kämen und soziale Gerechtigkeit zentrale Aufgabe der Politik würde. Die Frage ist aber, ob das auf Bundesebene zwischen SPD und PDS möglich ist. Auf keinen Fall stellt sich die PDS zur Verfügung, um rechnerisch für eine Mehrheit im Bundestag fehlende Mandate zur Verfügung zu stellen und die Politik weiter zu machen, die Rot-Grün in den vergangenen zwei Jahren geboten hat. Die gesellschaftliche Atmosphäre für einen Politikwechsel nach links sehe ich im Moment noch nicht als so stark an, dass eine Regierungsbeteiligung der PDS anstünde.

Wäre die PDS 2002 koalitionsfähig?

Warum sollte sie das nicht sein? Wenn Sie auf unsere Programmdebatte anspielen, dann bleibe ich dabei, dass wir unser Grundsatzprogramm nicht vor 2002 überarbeitet haben müssen. Ein solches Programm kann nicht mit Blick auf eine Wahl kurzfristig geschrieben werden.

Wann unterschreibt die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer dann im Bund den ersten Koalitionsvertrag für die PDS?

Wir haben auf unserem Cottbuser Parteitag im vergangenen Jahr gesagt, dass die Chance für einen Politikwechsel in Deutschland 2002 nicht gegeben ist. Da müsste sich das gesellschaftliche Klima noch gewaltig ändern, um diese Aussage zu korrigieren. Aber die PDS arbeitet daran. Mit der strategischen Zusammenarbeit, die wir mit den Gewerkschaften suchen, wollen wir auch den Druck auf die SPD erhöhen. Möglicherweise wäre dann 2006 der Zeitpunkt.

Bisky und Gysi scheint das alles nicht schnell genug zu gehen. Sie wollen die Programmdebatte forcieren. Fühlen Sie sich von den beiden gedrängt?

Nein, es ist ihr gutes Recht, eigene Vorschläge zu machen. Im Übrigen haben gerade die beiden immens viel geleistet.

Und die beiden sind nach wie vor Leitfiguren in der PDS. Sie dagegen sind nach Umfragen nach wie vor weitgehend unbekannt, vor allem im Westen. Schwächt das nicht Ihre innerparteiliche Position?

Man kann doch von mir jetzt nicht erwarten, in 100 Tagen etwas zu schaffen, was wir in zehn Jahren nicht geschafft haben. Was wir uns vorgenommen haben, ist, unsere programmatische Profilierung voranzutreiben. Nur wenn das gelingt, haben wir eine Chance, als sozialistische Partei in der gesamten Bundesrepublik wahrgenommen zu werden. Nur dann können wir auch die kulturelle Fremdheit überwinden, die es nach wie vor auch auf der Linken zwischen Ost und West gibt.

Beschreiben Sie doch mal, wie Sie die Akzeptanz der PDS im Westen sehen.

Die ist natürlich davon geprägt, dass die PDS in den alten Ländern auf all die Vorbehalte stößt, die in der Auseinandersetzung zwischen der Bundesrepublik und der DDR eine Rolle gespielt haben. Die PDS erscheint dort als die Inkarnation des Unverständlichen aus dem Osten. Diese Blockade zu brechen, ist eigentlich das Wichtigste für uns. Das verlangt von der PDS, uns auch produktiv mit den West-Linken auseinander zu setzen. So wenig, wie die als Chaoten in die Ecke gestellt werden können, kann man das mit Ost-Linken nach dem Motto, die seien sowieso alle staatshörig.

Was verbinden Sie denn mit 1968?

Den Prager Frühling, den Einmarsch in die Tschechoslowakei, aber auch die Außerparlamentarische Opposition in der Bundesrepublik und den damit verbundenen Marsch durch die Institutionen.

Wo standen Sie damals?

Auf dem Schulhof. 1968 war ich 13 Jahre alt.

Was im Westen passierte, blieb Ihnen also weitgehend fremd?

Nein. Wir haben damals auch schon in der DDR Fernsehen des Westens geguckt. Und als junger Mensch sieht man natürlich das Aufbegehren gegen den Mief an den Universitäten mit großem Interesse. Ich sehe auch die Verbindung in die Zeit der emanzipatorischen Bewegungen von 1968 und den frühen 70er Jahren im Westen, die heute von der politischen Rechten und bestimmten Medien weggeredet werden sollen. Das soll genauso delegitimiert werden, wie die Geschichte der DDR jetzt aus der deutschen Geschichte einfach wegfallen soll. Es gibt da zwischen PDS und den West-Linken sehr viele Berührungspunkte, die ich mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis nehme. Die entscheidende Frage ist doch, ob Menschen zu ihrer Biografie stehen dürfen, auch wenn sie später eine andere Sicht auf die Dinge haben. Das verbindet die Debatte über die DDR mit der aktuellen Debatte über 1968 im Westen.

Also ein Schulterschluss der PDS mit Trittin und Fischer?

Bei aller Kritik an ihrer Politik in der Gegenwart - auf den Umgang mit der Vergangenheit bezogen: Ja, natürlich. Jetzt ist die Linke insgesamt gefragt. Es geht darum, dass die Parteien, die Gewerkschaften, die sozialen Bewegungen, die damals dabei waren, um diese Geschichte auch kämpfen. Sie dürfen sich nicht einfach in die Ecke drängen und mit Terroristen und Nichtdemokraten gleichsetzen lassen. Allerdings sind die Grünen-Beschlüsse gegen Demonstrationen zu den Castor-Transporten wenig hilfreich.

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