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Gestürzter Diktator: Gaddafis Stimme tönt aus Damaskus

Der gestürzte libysche Revolutionsführer meldet sich über Privatsender in Syrien zu Wort. Das könnte sich bald auch als eine zusätzliche Bürde für Syriens Staatschef Baschar al Assad erweisen.

Berlin - Der gestürzte libysche Machthaber Muammar al Gaddafi hat zwar kaum noch Unterstützer an seiner Seite. Aber seine Stimme öffentlich erheben kann er immer noch – und damit stellt er weiterhin eine Gefahr für die Übergangsregierung in Tripolis dar. Auf das libysche Staatsfernsehen kann der exzentrische Führer zwar nun nicht mehr zurückgreifen, um seine Tiraden gegen die als „Ratten“ und „Mäuse“ diffamierten Gegner abzufeuern. In Libyen haben jetzt eben jene Gegner das Sagen. Aber ein zwielichtiger Iraker, der in Syrien drei Privatsender besitzt, bietet dem untergetauchten Diktator inzwischen eine Propaganda-Plattform. Im Sender Arrai TV zeigte sich Gaddafi am Donnerstag unbeugsam und wies Berichte über eine Flucht zurück. „Wir werden die Nato besiegen“, sagte er in dem Telefonat mit Arrai TV. Seinen Gegnern bleibe nichts mehr als „psychologische Kriegsführung und Lügen“, sagte er zu den Gerüchten, er habe Libyen in Richtung Niger verlassen. Am Dienstag hatte der Nationale Übergangsrat in Libyen gemeldet, dass ein großer Militärkonvoi die Grenze zum Niger überquert habe. Nach nigerischen Angaben sollen hohe Regimevertreter eingereist sein, aber weder Gaddafi noch seine Söhne. So schwor Gaddafi in Arrai TV am Donnerstag: „Wir werden das Land unserer Ahnen nicht verlassen.“ Nach Angaben des Senders kam der Anruf aus Libyen. Angesichts des Widerstandes seiner Anhänger in der Wüstenstadt Bani Walid wurde spekuliert, dass er und zwei seiner Söhne sich dort aufhalten könnten.

Der syrische Fernsehsender Arrai TV gehört ebenso wie die Sender Oruba und Al Mukawama dem Iraker Mishan al Jubouri und seiner syrischen Ehefrau Rawa al Usta. Der Sender Arrai, der 2007 auf Sendung ging, ist ein Jahr später mit US-Sanktionen belegt worden, weil er Bilder von Angriffen Aufständischer gegen die US-Armee im Irak zeigte. In der englischsprachigen Zeitschrift „Syria Today“ erklärte Juburi damals, damit habe der Sender erst begonnen, nachdem er mit US-Sanktionen belegt worden war. Den Amerikanern sei die kritische Berichterstattung ein Dorn im Auge gewesen. Danach habe er den Sender in der Tat zu einem „Sprachrohr“ des Widerstands gegen die US-Besatzung ausgebaut. In der arabischen Zeitung „As-Sharq al Awsat“ erklärte Jurubi, der Sender Arrai habe junge Libyer ausgebildet, damit sie einen mobilen Übertragungswagen bedienen könnten. Der Sender Oruba bestehe aus einem Fahrzeug, das sich in Tripolis bewege und damit schwer fassbar sei. Jurubi ließ keinen Zweifel daran, dass seine drei Sender weiterhin Reden Gaddafis und Botschaften seiner Anhänger verbreiten werden.

Jurubi stammt aus der Umgebung von Tikrit, der Heimatstadt des ehemaligen irakischen Diktators Saddam Hussein, mit dem er bekannt gewesen sein soll. Als es zum Bruch kam, setzte er sich nach Syrien ab. Während des Irak-Embargos verdiente er angeblich gut am Schmuggel, insbesondere dem Benzinschmuggel zwischen der Türkei und dem Nordirak. Nach dem Einmarsch der Amerikaner im Irak wurde er dann zum neuen Gouverneur von Mossul ernannt – ein Posten, den er aufgrund des Widerstands der Bevölkerung nicht lange innehatte. Bei den ersten Parlamentswahlen trat er mit einer eigenen Partei an, die aber nur wenige Sitze erobern konnte. Jurubi ließ sich bald darauf wieder in Syrien nieder.

Als Vorbild für seine „Widerstandssender“ nennt Jurubi den irakischen Sender Al Zawra, der Sprachrohr der Widerstandsgruppen gegen die US-Besatzung Iraks war. Die Nutzung der Sender des irakischen Geschäftsmannes kann den Widerstand der regimetreuen Kräfte gegen die Übergangsregierung in Libyen stärken und verlängern. Diese Gefahr sieht auch der neue US-Botschafter in Tripolis. Gaddafi stellt nach den Worten von Gene Cretz eine „Gefahr“ für die neue libysche Führung dar. Solange Gaddafi und seine Familie in Libyen oder außerhalb des Landes auf freiem Fuß seien, sei dies gefährlich für die Bemühungen des Nationalen Übergangsrats, eine Regierung zu bilden, sagte Cretz am Mittwoch.

Allerdings könnte sich das Engagement des in Damaskus operierenden Irakers Jurubi an der Seite von Gaddafi bald auch als eine zusätzliche Bürde für Syriens Staatschef Baschar al Assad erweisen. Denn auch wenn es sich um Privatsender handelt – in der streng kontrollierten syrischen Medienlandschaft kann niemand einen Fernsehsender ohne Genehmigung des Regimes betreiben.

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