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Politik: Gagarin

Gagarin

Von David Ensikat

Gagarin, Jurij Alexejewitsch, war der wichtigste Reisekader des Sozialismus. Er ließ es alle wissen: Wenn Sozialisten nur wollen, kommen sie überall hin. Das Fahrzeug, mit dem er seine größte Reise antrat, hieß „Wostok“ – Osten, und es beförderte ihn in keine herkömmliche Himmelsrichtung, sondern steil nach oben, 302 Kilometer hoch. Wostok war auf eine Rakete montiert worden, die ursprünglich zum Transport einer Atombombe konstruiert worden war. Jurij Gagarin war der erste Mensch, der die Erde als Kugel gesehen hat, er war der erste im Weltraum, 108 Minuten lang war er da (und er hat nach seinem Trip gesagt, dass er Gott dort nicht begegnet sei – aber das muss nichts bedeuten, der Mann war ja indoktriniert). Gagarins Reise galt jedoch weniger dem Nichtexistenzbeweis Gottes als vielmehr dem Existenzbeweis der technologischen Überlegenheit der Sowjetunion gegenüber den Amerikanern (eigentlich eine Art Gottesbeweis). Die amerikanischen Raumschiffe sahen zwar eleganter aus, aber sie flogen immer zu spät los. Zuerst waren ihnen die Russen mit dem Sputnik voraus, dem ersten Satelliten, dann mit Laika, der ersten Hündin im All und schließlich, am 12. April 1961, mit Gagarin, dem 27-jährigen Mann mit dem schönen Lächeln.

Dementsprechend bestand dessen Mission nach geglückter Landung darin, der ganzen Welt kundzutun, wo er gerade gewesen ist. (Seine ersten irdischen Worte galten natürlich den direkten Vorgesetzten: „Ich bitte, der Partei, der Regierung und Genossen Chruschtschow persönlich zu melden, dass die Landung normal verlaufen ist, ich mich gut fühle und keine Verletzungen habe.“) Gagarin reiste nun quer durchs Land und auch in viele andere und ließ sich feiern – wobei gute Kollegen versicherten, dass der Ruhm den bescheidenen Kosmonauten durchaus nicht abheben ließ. Er war nie wieder im All. Dafür wurde er Held der Sowjetunion, Mitglied des Obersten Sowjets – und blieb Militärpilot. Am 27. März 1968 stürzte er mit einer MIG 15 ab. Da Glasnost noch nicht erfunden war, kursierten viele Gerüchte um seinen Tod: Gagarin habe sich mit Alkohol im Blut ans Steuer gesetzt, er sei, da sein Ruhm nicht mehr genehm war, umgebracht worden. Außerirdische hätten ihn entführt. Ganz gewiss jedenfalls hat der Kennedy-Monroe-Hendrix-Effekt den Ruhm des ersten Menschen im Weltall noch gemehrt.

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