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Politik: Ganz der Alte und doch ganz anders Barack Obama nähert sich der Mitte an

New York - Das Internet kann ein Monster sein, das sich nur schwerlich kontrollieren lässt. Das muss in diesen Tagen auch der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama erfahren.

New York - Das Internet kann ein Monster sein, das sich nur schwerlich kontrollieren lässt. Das muss in diesen Tagen auch der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama erfahren. Enttäuscht von seinem Rechtsschwenk in einer Reihe von Schlüsselfragen schlagen seine Anhänger zurück – mit Beiträgen für seinen eigenen Internetauftritt, der Obama so viele Spender eingebracht hat. Auf www.barackobama.com können die Leute nicht nur Geld geben, sondern auch eigene Diskussionsgruppen organisieren zu Themen, die ihnen wichtig sind. Die derzeit größte mit mehr als 16 000 Mitgliedern fordert ausgerechnet: „Get Fisa Right“ (Macht es richtig mit Fisa, dem Foreign Intelligence Surveillance Act). Die Diskussionsgruppe nimmt Obamas Entscheidung aufs Korn, nun doch für ein Gesetz zu stimmen, das es den amerikanischen Telefonfirmen erlaubt, die Landsleute auf Wunsch der Regierung zu bespitzeln.

Das hat Obama gerade noch gefehlt, hat er doch alle Hände voll damit zu tun, seinen Kurswechsel zu erklären. Jüngster Anlass für Unruhe war die „Verfeinerung“ seiner Irak-Politik. Auf einem Wahlkampfstopp in North Dakota hatte er gesagt, er wolle bei seiner in den kommenden Wochen geplanten Reise in den Mittleren Osten mehr Informationen einholen. Was sofort als Zeichen dafür interpretiert wurde, dass er nicht mehr starr an seinem Vorwahlversprechen festhält, die kämpfenden US-Truppen innerhalb von 16 Monaten nach Amtsantritt nach Hause zu bringen. Die mitreisenden Medien wären aber weniger bereitwillig auf „Flip-Flop“- Rufe aus dem Lager des republikanischen Herausforderers John McCain eingegangen, hätte Obama nicht eine Reihe seiner Überzeugungen in Richtung politischer Mitte korrigiert.

Als elegant-glatter Politiker, der er ist, hatte er sich zumindest von vorne- herein Hintertüren für Kurskorrekturen eingebaut. In der Irak-Frage zum Beispiel kommt es schlicht auf die Betonung seiner Worte an. Gegen seine nun ehemalige innerparteiliche Rivalin Hillary Clinton, die im Oktober 2002 für den mittlerweile höchst ungeliebten Krieg stimmte, präsentierte sich Obama im Vorwahlkampf als Friedensengel. Doch er vergaß nie anzufügen, er werde sich auf den Rat der US-Kommandeure verlassen. Seine universal interpretierbare Formel lautete: „Wir müssen uns so vorsichtig zurückziehen, wie wir unvorsichtig waren, reinzugehen.“ In ihrer Begeisterung für den jungen Kandidaten übersah die Parteilinke geflissentlich, dass die amerikanischen Militärs davon ausgehen, die relative Ruhe im besetzten Land sei gefährdet, wenn die US-Truppen sich zu schnell aus dem Irak zurückziehen. Obama selbst sagte am Wochenende, es bedeute „keinerlei Veränderung gegenüber früheren Aussagen, wenn ich sage, ich werde meine Politik weiterentwickeln“.

Das Fisa-Gesetz hatte Obama im vergangenen Oktober noch energisch abgelehnt. Nun sagt er, es sei sichergestellt, dass die Geheimgerichte konsultiert würden, ehe die Regierung Spitzelaufträge vergebe. Das sei für ihn ein tragbarer Kompromiss. Daneben zielt er mit einer Reihe von Meinungsäußerungen darauf, die politische Mitte zu umschmeicheln. So setzte sich Obama für die Todesstrafe von Kinderschändern ein und fand wenig dabei, dass der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, die scharfen Waffengesetze in der Bundeshauptstadt Washington für verfassungswidrig erklärte. Den strenggläubigen Christen, in den vergangenen Wahlen eine solide Basis für die Republikaner, versprach er mehr Geld für ihre umstrittenen „glaubensgestützten Initiativen“.

Mittlerweile stellt sich die Frage, wie weit Obama noch gehen wird, um die Reagan-Demokraten zu begeistern. In den linken Polit-Blogs fühlen sich die ersten schon verraten und verkauft. Charles Krauthammer, konservativer Kolumnist der „Washington Post“, hat dazu folgenden Verdacht: Obama versuche, schreibt er, sich McCain in politischen Schlüsselfragen so sehr anzunähern, dass die Unterschiede zwischen beiden verschwindend gering würden. Am Ende ginge es hauptsächlich darum, mit wem die Wähler am liebsten ein Bier trinken würden. Das wäre ein leichtes Spiel für Obama.

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