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Politik: Ganz oder gar nicht

CDU-Landesministerin stellt sich beim Zahnersatz gegen Merkel – will das aber nicht so gemeint haben

Von Robert Birnbaum

Berlin - Horst Seehofer hat prompt eine „sensationelle Entwicklung“ gewittert, derart sensationell, dass er seinen Parteichef Edmund Stoiber im Urlaub gestört hat. „Wenn das die Position der CDU werden sollte, wird die Realisierung an der CSU nicht scheitern“, verkündete der CSU-Vize und Sozialexperte anschließend mit Stoibers ausdrücklichem Segen im „Münchner Merkur“. Wenn es so wäre, wie es Seehofer versteht – es wäre tatsächlich die jedenfalls vorläufige Abkehr der CDU von ihrem neuen gesundheitspolitischen Grundkurs.

Die Vermutung geschürt hat ein Satz, den die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen der heimatlichen „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ gesagt hat. Es ging dabei um den Zahnersatz-Streit. Die Vorgeschichte ist bekannt: Im Gesundheitskompromiss Anfang des Jahres hatte CDU-Chefin Angela Merkel durchgesetzt, dass der Zahnersatz aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegliedert und dafür eine eigene Pflichtversicherung neu eingerichtet wird. Seehofer war damals entschieden gegen diesen Schritt. Denn Merkels Zahn-Kasse war als Kopfpauschale angelegt: Gleicher Beitrag für jedermann. Ein Vorläufer also jener Generalumstellung des Gesundheitssystems, die Merkel anstrebt und Seehofer verhindern will.

Die SPD willigte um der Bundesratsmehrheit willen ein. Doch vor kurzem stellte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Zahnpauschale wieder zur Disposition: Zu bürokratisch und deshalb zu teuer, lautete ihr Verdikt. Merkel zeigte sich gesprächsbereit. Nur müsse die Regierung einen Gegenvorschlag unterbreiten.

Der steht – auch wenn jetzt von nur noch „wenigen Tagen“ die Rede ist – bisher aus. Und das, sagt von der Leyens Sprecherin Iris Bethge, hat ihre Chefin zu der Befürchtung gebracht, dass nach langem Warten aus dem Hause Ulla Schmidt bloß eine handwerklich unsolide Schnell-Idee kommen werde. Die Folge: Chaos, Nachbesserung und genervte Bürger. Was sie daraus folgert, hat von der Leyen in jenen Satz gekleidet, der Seehofer so freudig alarmiert hat: „Man sollte es schlicht bei der derzeit gültigen Regelung belassen.“

Das ist für sich genommen eine glatte Abkehr von der CDU-Position. War aber, sagt Sprecherin Bethge, nicht so gemeint – sondern nur als Ausweg für den Fall, dass der Bundesregierung nichts Vernünftiges einfällt. Etwa – was von der Leyen befürwortet – die Zahnersatz-Versicherung ins private Belieben der Bürger zu stellen. Also kein Kurs gegen Merkel? Aber gar kein Gedanke, versichert die Sprecherin: „Unsere Ministerin hält an dem fest, was wir in der Union gemeinsam abgestimmt haben.“ Von der Leyen habe das der CDU-Chefin auch telefonisch persönlich gesagt. Was immerhin zeigt: Nicht nur Seehofer findet den Satz bemerkenswert. Und der CSU-Mann ist womöglich nicht der einzige, der den Satz nur zu gerne vieldeutig versteht.

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