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Israelische Soldaten feiern den Waffenstillstand.

© dpa

Gaza-Konflikt: Was Israels Dominanz im Nahen Osten für die USA bedeutet

Die US-Regierung atmet auf: Im Gaza-Konflikt hat sich gezeigt, dass sich die Dynamik der Region durch den Arabischen Frühling kaum verändert hat. Ägypten bleibt konstruktiv, Israel dominant und der Konflikt begrenzt. Steht Barack Obama vor einer neuen Nahost-Initiative?

Die US-Regierung atmet auf. Dies war der erste große Test, ob sich die Dynamik im Nahen Osten durch den Arabischen Frühling entscheidend verändert hat. Und aus US-Sicht lautet das Ergebnis: weitaus weniger, als befürchtet worden war. Vielleicht gibt es sogar neue Vermittlungs- und Verhandlungsoptionen.

Genugtuungsgrund Nummer eins ist die erneute Bestätigung, dass ohne die USA nichts geht in der Region. Wenn’s wirklich brenzlig wird, ist immer noch Washington gefragt. Präsident Barack Obama telefonierte von Beginn an regelmäßig sowohl mit Israels Premier Benjamin Netanjahu als auch mit Ägyptens Präsident Mohammed Mursi. Dann schickte er Außenministerin Hillary Clinton nach Kairo, die dort in stundenlangen Direktgesprächen mit Mursi und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon die Bedingungen für die Waffenruhe aushandelte.

Weil Israel und die Hamas offiziell nicht gern persönlich miteinander kommunizieren, waren deren Vertreter bei den entscheidenden Verhandlungen nicht anwesend. Das gab ihnen die Gelegenheit, für ihre Zustimmung den „großen internationalen Druck“ verantwortlich zu machen, unter dem sie gestanden hätten. Das Zähneknirschen war an die Adresse derer gerichtet, die in Israel und dem Gazastreifen für eine Fortsetzung, wenn nicht gar Intensivierung der militärischen Auseinandersetzung waren. Dass sich beide Seiten außerdem vollmundig zu Siegern erklärten, versteht sich von selbst.

Zweitens freut sich die US-Regierung über die konstruktive Rolle Mursis. Jenseits aller Pro-Hamas- und Anti-Israel-Rhetorik, die der Muslimbruder seinen Anhängern zweifellos schuldet, hat sich der neue, demokratisch gewählte Präsident Ägyptens als erstaunlich pragmatisch erwiesen. Amerikas Druckmittel in Form von jährlicher finanzieller Unterstützung in Milliardenhöhe hat offenbar gewirkt. Die wirtschaftlichen Nöte Ägyptens wiegen schwerer als die antiisraelische Ideologie, die ja auch in Kreisen der Muslimbrüder weit verbreitet ist. „Vor die Alternative gestellt - Ideologie oder Ökonomie? -, hat sich Mursi klar für die Ökonomie entschieden“, sagt Nahost-Experte Dennis Ross.

Damit bleibt Ägypten, trotz seiner politischen Revolution, aus US-Sicht ein unverzichtbarer Stabilitätsfaktor in der Region. Washington wird weiter auf Mursi einwirken, den Friedensvertrag mit Israel einzuhalten, die militärische Zusammenarbeit im Sinai zu verbessern und die radikalislamischen Elemente in seiner Regierung zu domestizieren. Jeder Fortschritt auf diesen Feldern würde honoriert damit, dass die USA die Türkei in ihren Ambitionen mäßigen, das mutmaßliche Machtvakuum in der Region zu füllen. Je stärker sich Ägypten entwickelt, desto schwächer muss die Türkei bleiben.

Drittens belegt der Verlauf der achttägigen Auseinandersetzung, dass der Nahostkonflikt regional begrenzt bleibt. Warnungen vor einem möglichen Flächenbrand wurden wieder einmal als Propaganda entlarvt, mit der in erster Linie Israel unter Druck gesetzt werden soll. Kein arabisches Land wird es wagen, wegen der Palästinenser in einen Krieg gegen Israel zu ziehen. Das gilt vor allem, weil die bislang schlagkräftigste Armee an Israels Grenze, die von Syrien, in einen blutigen Bürgerkrieg verwickelt ist. Im neuen Nahen Osten dominiert Israel aufgrund seines Wirtschaftswachstums, seiner technologischen Überlegenheit, seiner militärischen Kapazitäten und seiner engen Beziehung zu den USA mehr denn je, bilanziert die Lage am Donnerstag Fareed Zakaria in der „Washington Post“.

Zwei Ziele wollte Jerusalem mit seiner Offensive „pillar of defense“ erreichen – die Waffenruhe mit der Hamas wieder herstellen und die Beziehungs-Belastbarkeit der neuen politischen Führung in Kairo austesten. Beide Ziele wurden erreicht. Und zwar mit voller Unterstützung der Obama-Administration. Von Anfang an betonte der US-Präsident Israels Recht auf Selbstverteidigung. Er vermied es sogar ausdrücklich, anders als üblich, israelische „Zurückhaltung“ anzumahnen. Grüner konnte das Licht nicht sein.

Das wiederum stärkt, viertens, Obama in seinem Verhältnis zu Netanjahu. Dieses Verhältnis ist durchaus spannungsreich. Im Präsidentschaftswahlkampf hatte sich Netanjahu, recht nahe an einem Affront, deutlich auf die Seite von Mitt Romney geschlagen. Außerdem bezichtigte er Obama, zu lasch in Bezug auf das iranische Atomprogramm zu sein. Der revanchierte sich mit der Unpässlichkeit, Netanjahu in Amerika zu empfangen.

Nun steht „Bibi“ düpiert da. Mit Romney hat er aufs falsche Pferd gesetzt, Obama wurde deutlich im Amt bestätigt, die Erfolge mit dem Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ hat Israel vor allem den Finanzhilfen Obamas zu verdanken: All das lässt Israels Premier mit seiner Anti-Obama-Attitüde nicht gerade gut aussehen. Obamas Umarmungen zwingen ihn gewissermaßen in die Nachgiebigkeit und Flexibilität. Außerdem weiß Netanjahu, dass Obama in seiner zweiten Amtszeit gegenüber Israel selbstbewusster auftreten kann, weil er keine Wiederwahl mehr zu überstehen hat.

Ob das allerdings in absehbarer Zeit in eine neue Nahost-Initiative der USA mündet, ist fraglich. Zunächst stehen in Israel Parlamentswahlen an. Vorher passiert gar nichts. Doch ungelöst ist vor allem das Problem eines repräsentativen Ansprechpartners auf palästinensischer Seite. Die Westbank- und Gaza-Palästinenser sind weiterhin zerstritten, Autonomiebehörde und Hamas befehden sich. Weder Mahmoud Abbas noch Ismail Haniyeh können ein exklusives Verhandlungsmandat beanspruchen.

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