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Gazastreifen: Israel streitet über den Kurs

Israels Soldaten sind in Bereitschaft, aber eine Bodenoffensive ist ungewiss. Die Hamas verstärkt derweil den Raketenbeschuss auf neue Ziele.

Im Krieg um Gaza ist kein Ende abzusehen. Israel diskutiert heftig über eine Bodenoffensive. Die Hamas wiederum versucht mit einer gezielten Ausweitung ihrer Raketenangriffe genau das zu provozieren. Israels Sicherheitskabinett hat die zusätzliche Mobilisierung von Reservisten und die Fortsetzung der Attacken im Gazastreifen bewilligt.

Der israelische Armeesprecher hat den Generälen ein Redeverbot erteilt. Anders als bei früheren Waffengängen dürfen sie keine Interviews geben und Generalstabschef Gaby Ashkenasi entpuppt sich als der große Schweiger. Deshalb kann über die Einschätzungen des Militärs in Bezug auf eine Bodenoffensive nur spekuliert werden. Nun aber beginnen die Politiker zu reden. Und zwar nicht mehr wie zu Kriegsausbruch in einer konzertierten Informations- und Propagandaaktion gegenüber ausländischen Medien. Jetzt streiten sich die Spitzenpolitiker – Ministerpräsident Ehud Olmert, Verteidigungsminister Ehud Barak und Außenministerin Zipi Livni – untereinander. Schließlich finden im Februar Parlamentswahlen statt, die keiner der drei verschieben möchte.

Nach den Meinungsumfragen seit Kriegsbeginn profitieren vor allem Barak und dessen Arbeitspartei von den anfänglichen Erfolgen der Luftangriffe. Nach einer Umfrage der Tageszeitung „Haaretz“ ist die Arbeitspartei von elf auf 16 Mandate auf Platz drei aufgestiegen. Nur wenig zulegt haben der oppositonelle nationalkonservative Likud, von 30 auf 32 Mandate und die die Regierung anführende Kadima, die jetzt auf 27 (plus eins) kommt. Arbeitsparteichef Barak, der bisher unter seiner geringen Popularität im Wahlkampf litt, verfügt nun mit 53 Prozent (plus 19 Prozent) über die höchste Zustimmungsrate aller Spitzenpolitiker.

Dramatischer Wandel der öffentlichen Meinung in Israel

Begreiflich, dass Olmert und Livni sich von Barak absetzen wollen. Sie beschuldigen ihn, hinter ihrem Rücken mit Frankreich über deren Vorschlag einer 48-stündigen humanitären Waffenruhe verhandelt zu haben. Die beiden schlagen deutlich kämpferischere Töne an als Barak. Der Verteidigungsminister hat sich dagegen in internen Beratungen Zurückhaltung in Bezug auf eine Bodenoffensive auferlegt, wenn er sie nicht rundwegs ablehnt. Das würde erklären, weshalb die um weitere 2500 mobilisierte Reservisten verstärkten Truppen noch immer in ihren Bereitschaftsräumen stationiert sind und die Grenze mit ihren Panzern noch nicht überollt haben. Eine Großoffensive, also ein Einmarsch in den Gazastreifen mit anschließender Besetzung des gesamten Gebietes, steht schon lange nicht mehr zur Diskussion.

Allerdings hat in der öffentlichen Meinung in Israel ein dramatischer Wandel stattgefunden, den die Politiker wohl nicht ignorieren können. Er dürfte das Resultat der erfolgreichen Luftangriffe zu Kriegsbeginn sein. Forderten vor Kriegsbeginn die meisten Israelis, Hamas mit allen Mitteln den Garaus zu machen, so zeigt die „Haaretz“-Umfrage, dass inzwischen 52 Prozent für die bisherige Taktik mit Luftangriffen eintreten und nur 19 Prozent Bodentruppen fordern. 20 Prozent wünschen sich einen schnellstmöglichen Waffenstillstand.

Noch-Regierungschef Olmert reagierte am Donnerstag auf den anhaltenden Raketenbeschuss durch die Hamas mit einer griffigen Formel für die israelische Kriegstaktik: „Wir behandeln die palästinensische Zivilbevölkerung mit Samthandschuhen und gehen mit eiserner Faust gegen die Hamas vor.“ Nach wie vor ist die gesamte Hamas-Führung abgetaucht – wie das offizielle Ägypten höhnisch feststellt. Während sie keinerlei zivile Aktivitäten zeigt, vermag sie offensichtlich ihrem militärischen Flügel weiterhin Befehle zu erteilen – mit dem klaren Ziel, Israel zu Bodenoffensiven zu provozieren. Hamas setzt inzwischen täglich mehr weiterreichende Raketen ein, während näherliegende Ziele, wie die Kleinstadt Sderot, spürbar seltener angegriffen werden als bisher. Beschossen werden nun die drei Großstädte Aschkelon (100 000 Einwohner), Ashdod (220.000) und Beer Sheva (185.000).

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