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Geburtenrückgang: Deutschland schrumpft

Im Jahr 2009 wurden so wenig Kinder geboren wie seit 1948 nicht – doch die zuständige Ministerin sieht keinen Grund zur Beunruhigung.

Die Zahlen aus den Standesämtern sind noch vorläufig, doch wenn sie sich bestätigen sollten, wäre es der absolute Negativrekord: 651 000 Kinder wurden im vergangenen Jahr in Deutschland geboren – so wenige wie seit 1948 nicht. Der bisherige Geburten-Tiefststand stammt aus dem Jahr 2006, er lag damals bei 673 000. Mit der aktuellen Prognose des Statistischen Bundesamtes wäre dieser Rekord nun also nochmals unterboten, und zwar um fast 3,3 Prozent.

Auch im Vorjahresvergleich ist der Rückgang erheblich. Gegenüber 2008 sank die Zahl der lebend geborenen Kinder um 24 000 – ein Minus von 3,6 Prozent. Und zwischen Sterbefällen und Geburten geht die Schere ebenfalls immer weiter auseinander. Wurden 2008 noch 168 000 Kindern weniger geboren, als Menschen starben, so betrug das Missverhältnis im Jahr 2009 bereits 190 000.

Haben die Bemühungen der Familienpolitiker also nicht gefruchtet, waren die mühsam aufgebrachten Investitionen aus demografischer Sicht wirkungslos? Im Jahr 2007 sah das alles noch ganz anders aus. Damals stieg die Geburtenzahl plötzlich um 10 000, die Geburtenrate schoss auf den höchsten Stand seit 17 Jahren, und die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) feierte dies als „überwältigenden Vertrauensvorschuss“ junger Menschen auf ihre Politik. Der Anstieg, so behauptete sie, sei auch auf die besseren Betreuungsangebote und – natürlich – das neue Elterngeld mit den Vätermonaten zurückzuführen.

Leyens Nachfolgerin Kristina Schröder muss nun begründen, warum die Geburtenzahl trotz all dieser Angebote, die noch dazu rege in Anspruch genommen werden, wieder so sinkt. Sie tut es, indem sie das Minus relativiert. Entscheidend, so die CDU-Politikerin, sei schließlich nicht die statistische Gesamtzahl. Man müsse die erst mal ins richtige Verhältnis setzen: In Deutschland gebe es inzwischen deutlich weniger Frauen im gebärfähigen Alter als früher – „und damit natürlich auch weniger Geburten“. Den Beleg für diese Darstellung liefern die Statistiker im Wiesbadener Bundesamt. Nach ihren Berechnungen sank die Zahl der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren seit dem Jahr 2005 von 19,5 auf 19 Millionen. In den vergangenen zehn Jahren verringerte sie sich sogar um fast eine Million.

Die auf den ersten Blick so miese Statistik sei also kein Grund zur Beunruhigung, folgert die Ministerin. Sie geht sogar noch weiter und entdeckt in ihr auch eine „gute Nachricht“. Trotz des unübersehbaren Geburtenrückgangs nämlich sei die Geburtenrate, also die Zahl der Kinder pro gebärfähiger Frau, in Deutschland „weitgehend stabil“ geblieben. Allerdings fährt ihr hier dann doch ein Bundesamts-Mitarbeiter in die Parade. Zum jetzigen Zeitpunkt auf Geburtenraten zu schließen, sei nun wirklich verfrüht, sagt er. Endgültige Aussagen dazu gebe es erst im Sommer.

Politisch lässt sich Schröder von geringen Geburtenzahlen ohnehin nicht beirren. Sie zeigten doch gerade, wie wichtig richtige Rahmenbedingungen für junge Paare und Familien seien, argumentiert sie. „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten müssen wir den Menschen helfen, Beruf und Familie zu vereinbaren, und dürfen nicht an frühkindlicher Bildung sparen.“ Der Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren stehe deshalb nicht zur Disposition, sagt Schröder mit Blick auf die Sparforderungen von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Und auch der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz werde kommen.

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