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Politik: Gefährlicher Sirup

Äußerst besorgniserregend sei der Gesundheitszustand des 19-jährigen Kameruner, sagt die Sprecherin der Hamburger Justizbehörde. Sein Überleben ist unwahrscheinlich, glauben die Ärzte.

Äußerst besorgniserregend sei der Gesundheitszustand des 19-jährigen Kameruner, sagt die Sprecherin der Hamburger Justizbehörde. Sein Überleben ist unwahrscheinlich, glauben die Ärzte. Am Sonntag hatte der mutmaßliche Drogendealer nach einem gewaltsamen Brechmitteleinsatz einen Herzstillstand erlitten und liegt seitdem im Koma. Die Grün/Alternative Liste und die Ärztekammer der Hansestadt haben nun gefordert, den Einsatz von Brechmitteln gegen verdächtige Drogenhändler zu stoppen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine Ärztin und einen Sanitäter.

Dem Kameruner, der 41 Kügelchen mit Rauschgift verschluckt hatte, war im Rechtsmedizinischen Institut des Universitätskrankenhauses Eppendorf 30 Milliliter Ipecacuanha-Sirup und 800 Milliliter Wasser gewaltsam eingeflößt worden, nachdem er sich zuvor nach Angaben der Behörden heftig gewehrt hatte. Vier Polizeibeamte hatten ihn auf seinem Stuhl festgehalten. Erst der dritte Versuch, ihm den "mexikanischen Sirup" durch Nase und Speiseröhre einzuflößen, war gelungen. Danach war der junge Mann auf den Boden gerutscht und regungslos liegen geblieben.

Innensenator Ronald Schill und Justizsenator Roger Kusch (CDU) hatten noch am Sonntagabend auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz den Vorfall bedauert, gleichzeitig aber auch mitgeteilt, der Einsatz von Brechmitteln werde weitergehen. Kusch: " Eine Änderung der Verordnung wäre ein Signal, dass die Strafverordnung in Hamburg nicht mit der gebotenen Härte durchgeführt wird." Und Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger verteidigte den Einsatz von Brechmitteln als "eine wichtige Maßnahme zur Sicherung von Beweismitteln".

Diese Maßnahme gegen mutmaßliche Drogendealer war in Hamburg im Juni diesen Jahre vom damaligen Innensenator Olaf Scholz eingeführt worden. Die Einsatzrichtlinien waren in diesen Tagen von neuen Senat nochmals erweitert worden. Allein am vergangenen Wochenende waren bei neun verdächtigen Personen Brechmittel eingesetzt worden. Insgesamt geschah es seit Einführung in 26 Fällen.

Während der Hamburger Senat und Konrad Freitag von der Gewerkschaft der Polizei weiterhin die Ansicht vertreten, der Einsatz von Brechmitteln sei für die Bekämpfung des Rauschgifthandels in der Stadt unabdingbar, hat die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Krista Sager, gefordert, die Vergabe von Brechmitteln bei der Verfolgung von Dealern umgehend zu stoppen. "Die Umstände, die zum Herzstillstand des Kameruners führten, müssen lückenlos aufgeklärt, das Risikopotenzial bei der Vergabe von Brechmitteln mit Hilfe einer Magensonde muss neu bewertet werden." Nach Ansicht der Grünen stellt sich auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel jetzt völlig neu.

Nach Einschätzung der Hamburger Ärztekammer liegen in der gewaltsamen Verabreichung von Brechmitteln so viele ernste Gefahren, "dass man das nicht machen darf". Die Kammer fordert deshalb die Verantwortlichen auf, über Alternativen nachzudenken wie etwa die Verabreichung von Abführmitteln. Das sei zum Beispiel bereits auf Flughäfen üblich.

Karsten Plog

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