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Politik: Gefahr an der Grenze

Türkei stoppt Chemikalien-Transport nach Syrien Verliert Ankara Kontrolle über radikale Kämpfer?

Istanbul - Im Syrienkonflikt gerät die Türkei durch neue Vorwürfe ins Zwielicht. Die türkische Armee stoppte am Wochenende den Transport mutmaßlicher Chemikalien nach Syrien. Gleichzeitig wurde bekannt, dass mithilfe saudischer Geldgeber in der türkischen Grenzregion geheime Lazarette für verletzte syrische Oppositionskämpfer eingerichtet worden sind. Die Opposition in Ankara wirft der Regierung vor, syrische Extremisten zu bewaffnen, was diese bestreitet. Doch wenn es keine direkte Hilfe Ankaras für die Radikalen gibt, stellt sich die Frage, ob die Türkei dabei ist, die Kontrolle über ihre Grenze zu verlieren.

Der türkische Generalstab erklärte auf seiner Internetseite, in der Grenzprovinz Hatay hätten sich drei Fahrzeuge außerhalb der offiziellen Grenzübergänge auffällig schnell in Richtung der syrischen Grenze bewegt. Nachdem Warnschüsse türkischer Grenztruppen in die Luft ergebnislos blieben, zerschossen die Soldaten die Reifen der Wagen, um sie zum Stehen zu bringen. Alle bis auf einen Insassen flohen nach Syrien hinein, doch die Fahrzeuge und ihre Ladung blieben zurück. Die Soldaten fanden 20 Säcke mit Schwefel mit einem Gesamtgewicht von rund einer Tonne sowie acht versiegelte Fässer, über deren Inhalt die Armee keine Angaben machte. Für ungefährlich hielten die Militärs die Fässer aber offenbar nicht: Experten für ABC-Waffen wurden mit der Untersuchung der Behälter beauftragt. Ergebnisse waren am Montag nicht bekannt, doch in türkischen Medienberichten war von „Chemikalien“ die Rede.

Der vereitelte Transport nach Syrien wirft ein Schlaglicht auf die unsichere Lage entlang der 900 Kilometer langen Landgrenze zwischen der Türkei und Syrien. Die türkische Seite ist in den Jahren des Konflikts zum Aufmarsch- und Versorgungsgebiet syrischer Regimegegner geworden. Die Türkei, ein früherer Partner von Baschar al Assad, hatte sich im Sommer 2011 auf die Seite der syrischen Opposition gestellt. Ankara erlaubte es den politischen und militärischen Gegnern des syrischen Präsidenten, sich auf türkischem Gebiet zu formieren. Die Rebellen-Streitmacht der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) wurde von syrischen Deserteuren in der Türkei gegründet.

Zunächst waren die Aktivitäten der in türkischen Lagern lebenden FSA-Gründer für die Türkei noch gut zu kontrollieren, doch inzwischen sind islamistische Gruppen erstarkt. Türkische Oppositionspolitiker aus Hatay sprechen von tausenden islamistischen Kämpfern in der Region. An der Grenze soll ein ganzes System von Wohnungen und Häusern bestehen, in denen islamistische Extremisten vor ihrer Weiterreise nach Syrien wohnen. In einer offiziellen Erklärung des Gouverneursamts von Hatay war die Rede von legalen „Pensionen“, die als Rehazentren für Syrer genutzt würden. Doch das dürfte die Opposition nicht zufriedenstellen. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu warf der türkischen Regierung am Montag in der unabhängigen Zeitung „Taraf“ vor, syrische Extremisten von Al Qaida und der Al-Nusra-Front mit Waffen und Ausbildung geholfen zu haben. Thomas Seibert

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