zum Hauptinhalt
Kann nach mehr als fünf Jahren in seine Heimat zurückkehren: Gilat Schalit.

© dpa

Gefangenenaustausch: Misstrauen bis zum Schluss

Am Morgen hat der Gefangenenaustausch zwischen Israel und den Palästinensern begonnen. Die Hamas meldet, dass sie ihren Teil der Vereinbarung eingehalten hat. Der 25-Jährige Soldat Gilat Schalit soll nach mehr als fünf Jahren wieder frei sein.

Die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas hat den vor fünf Jahren entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit nach eigenen Angaben freigelassen. Der inzwischen 25-Jährige sei am Dienstag im Rahmen des mit Israel vereinbarten Gefangenenaustauschs an Ägypten übergeben worden, teilte ein Hamas-Vertreter mit. Ägypten wie auch Israel bestätigten diese Angaben zunächst nicht. Schalit sollte nach der Übergabe an Ägypten so schnell wie möglich nach Israel gebracht werden.

Sollte die Meldung bestätigt werden, ist Gilat Schalit nach mehr als fünf Jahren endlich frei. 450 Männer und 27 Frauen lassen die Israelis im Gegenzug frei, weitere 550 in zwei Monaten. Dass Gilad Schalit freigelassen wird, steht seit Tagen fest. Auch wie der Austausch ablaufen soll, wurde minutiös geplant. Doch die Führung der Hamas bestimmte den genauen Zeitpunkt, weder Israel noch die ägyptischen Vermittler oder das Internationale Rote Kreuz kannten ihn bisher. Die im Gazastreifen herrschenden Radikalislamisten trauen den Israelis nicht. Genauer: Sie trauen ihnen alles zu. Nämlich eine Befreiungsaktion in buchstäblich letzter Minute, die den gesamten Austausch-Deal platzen lassen würde. Folglich werden die Israelis erst erfahren, dass die Austauschaktion angelaufen ist, wenn die Hamas Schalit den Ägyptern übergeben hat und sich dieser auf ägyptischem Territorium befindet.

Schalit soll nach der Freilassung von den ägyptischen Sicherheitsorganen den Israelis übergeben und danach ärztlich untersucht werden. Mit seiner Mutter wird er erst einmal nur telefonieren können, denn nach seiner Rückkehr soll er zunächst Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Ehud Barak und Generalstabschef Benni Ganz treffen. Erst dann dürfen ihn die engsten Angehörigen in ihre Arme schließen. Die Tatsache, dass sich die Regierungs- und die Armeespitze quasi vor die Familie gesetzt haben, ist vielfach auf Kritik gestoßen.

Auf palästinensischer Seite sollen unmittelbar nach Schalits Übergabe an die Ägypter zuerst die weiblichen Häftlinge freikommen. Noch werden offenbar Gastländer für einige derjenigen gesucht, die laut Vereinbarung einige Jahre im Exil außerhalb der palästinensischen Gebiete verbringen müssen. Bisher sind dafür die Türkei und Syrien vorgesehen.

In Gaza sind Vorbereitungen für den „Empfang der Helden“ getroffen worden, bei dem der Chef der De-facto-Regierung der Hamas, Ismail Hanija, die Festansprache halten wird. Für die Gefangenen aus dem Westjordanland ist ein deutlich zurückhaltender Empfang am Regierungssitz „Mukata“ in Ramallah durch Präsident Mahmud Abbas geplant. Mitglieder der Fatah-Bewegung von Abbas äußerten sich nach der offiziellen Veröffentlichung der Liste der freikommenden Gefangenen enttäuscht. Unter den 450 Häftlingen, die im ersten Schritt in Freiheit gelangen sollen, sind nur 99 Fatah-Aktivisten. In Ramallah hofft man nun darauf, dass der Anteil der Fatah-Kämpfer unter den 550 Häftlingen, die in zwei Monaten übergeben werden sollen, höher sein wird. Gemäß Abkommen ist Israel frei, die Liste zusammenzustellen. Ein Mitspracherecht der Hamas ist nicht vorgesehen.

Eine Meinungsumfrage im Auftrag der Tel Aviver Tageszeitung „Yedioth Ahronoth“ zeigt, wie sehr die Israelis die Freilassung Schalits herbeigesehnt haben. 79 Prozent sind trotz des hohen Preises für den Austausch „Gilad Schalit für 1027 Terroristen“. Nur 14 Prozent sind dagegen. 76 Prozent beschreiben ihre Gefühle als Freude, Erregung und Stolz. Ganze 22 Prozent hegen negative Gefühle, nämlich Sorge, Wut und Erniedrigung.

Überraschend sind zwei weitere Ergebnisse. Erstens vertrauen zwar 48 Prozent der Israelis ihren Sicherheitsorganen, ebenso viele bangen jedoch auch um ihre persönliche Sicherheit. Und nur 43 Prozent sagen, Netanjahu habe in der Angelegenheit Schalit Führungsstärke bewiesen. 49 Prozent attestieren ihm vielmehr, dass er angesichts des öffentlichen Drucks kapituliert habe. (mit rtr/AFP)

Zur Startseite