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US-ATTACKS-GUANTANAMO-CAMPS

© MANDEL NGAN (POOL)

Gefangenenlager: US-Regierung lässt drei Guantanamo-Häftlinge ausfliegen

Zum ersten Mal haben die US-Behörden als Reaktion auf ein Gerichtsurteil Guantanamo-Häftlinge freigelassen. Der Weg zur Schließung des Lagers - wie vom künftigen Präsidenten Barack Obama versprochen - ist aber noch lang.

Die US-Regierung unter George W. Bush hat sich erstmals einem Gerichtsurteil zur Freilassung Terrorverdächtiger aus dem Gefangenenlager Guantanamo unterworfen. Am Dienstagabend flog das US-Militär drei gebürtige Algerier mit bosnischem Pass nach Bosnien aus. Zuvor hatte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) die Betroffenen, wie bei Entlassungen aus Guantanamo üblich, nach ihrer Behandlung in der Gefangenschaft befragt.

Die US-Regierung legte keine Rechtsmittel gegen das Urteil des Bezirksrichters Richard Leon vom Oktober ein. Auch das ist ein Novum. Leon hatte argumentiert, die Beweislage sei zu dünn. Das Urteil bezog sich auf fünf Männer. Drei wurden nach Bosnien ausgeflogen: Mustafa Ait Idir, Mohamed Nechla und Hadj Boudella. Die anderen beiden, Lakhdar Boumediene und Saber Lahmar, haben keine bosnischen Pässe. Offenbar suchen die USA nach einem Aufnahmeland für die beiden gebürtigen Algerier, in dem ihnen keine Verfolgung als bekennende Islamisten droht. Zur Aufnahme entlasteter Gefangener in den USA ist Bushs Regierung bisher nicht bereit.

Alle fünf waren im Frühjahr 2002 in Sarajevo von US-Truppen gefangen gesetzt worden unter dem Vorwurf, sie planten die US-Botschaft dort in die Luft zu sprengen. Sie waren wie hunderte andere arabische Kämpfer im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 nach Bosnien gekommen, um auf Seiten der Muslime gegen die Serben zu kämpfen. Die fünf wurden 2002 nach Guantanamo gebracht.

Der Algerier Boumediene gewann dann einen richtungsweisenden Prozess vor dem Obersten Gericht der USA. Er focht Präsident Bushs Verfügung an, dass Guantanamo-Gefangene nicht vor ordentlichen US-Gerichten gegen ihre Inhaftierung klagen dürfen. Nach einem langwierigen Verfahrensstreit entschieden die Obersten Richter im Juni 2008 mit der knappen Mehrheit von 5 zu 4, dass auch Boumediene – und damit allen Guantanamo-Insassen – das „Habeas corpus“- Grundrecht zusteht. Demnach darf in den USA niemand ohne ordentliches Gerichtsverfahren gefangen gehalten werden.

Das Urteil öffnete den Weg zu einem US-Bezirksgericht innerhalb der USA. Noch vor dem Prozess zogen die US-Ankläger den Vorwurf zurück, die fünf hätten einen Anschlag auf die US-Botschaft in Sarajevo geplant. Sie beharrten aber darauf, die fünf hätten nach Afghanistan reisen und dort gegen US-Truppen kämpfen wollen. Richter Leon nannte die Belege dafür – das Geheimdienstverhör eines nicht namentlich genannten Zeugen – ungenügend und ordnete die Freilassung der fünf an. Im selben Verfahren erhielt er aber die Inhaftierung eines sechsten Algeriers mit bosnischem Pass, Belkacem Bensayah, aufrecht, weil die Ankläger belegen konnten, dass der mehrfachen Kontakt mit Kämpfern Osama bin Ladens in Afghanistan hatte.

Diese erstmalige Freilassung von Guantanamo-Gefangenen aufgrund einer richterlichen Anweisung leitet eine neue Phase ein. Der Weg zur Schließung des Lagers, die der neue Präsident Barack Obama versprochen hat, ist aber noch lang. Er will auch die Praxis der Militärtribunale zur Aburteilung Terrorverdächtiger in Guantanamo beenden. Unbekannt ist, wie die Prozesse gegen jene Insassen ablaufen sollen, die weiter als gefährlich gelten. Unklar ist ebenso, ob die USA eines Tages bereit sein werden, entlastete Gefangene bei sich aufzunehmen.

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