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Politik: Gefechte auch in Berg-Karabach Privatsache Schule

Die britischen Konservativen wollen autonome Bildungseinrichtungen fördern – um den Einfluss des Staates zurückzudrängen

Eriwan - Bei Feuergefechten in der umkämpften armenischen Enklave Berg-Karabach in Aserbaidschan sind mindestens vier armenische Soldaten getötet worden. „Vier Soldaten der Karabach-Armee wurden am Freitag bei Kämpfen mit einem aserbaidschanischen Aufklärungstrupp getötet“, teilte das armenische Außenministerium am Samstag in Eriwan mit. Armeniens Außenminister Eduard Nalbandjan verurteilte den Zwischenfall als „Provokation“, mit der Aserbaidschan Gespräche über die umstrittene Region sabotieren wolle. Die Spannungen zwischen Eriwan und Baku um Berg-Karabach haben sich in den vergangenen Monaten verschärft. Die Region liegt auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber vorwiegend von Armeniern bewohnt, die Anfang der 90er Jahre die Kontrolle über das Gebiet übernahmen. AFP

Großbritanniens konservativ geführte Regierung hat ihre im Wahlkampf versprochene „Schulrevolution“ angestoßen. Ziel der umstrittenen Reform ist, den unter Labour gewachsenen Einfluss des Staates im Bildungssektor zurückzudrängen. Erziehungsminister Michael Gove veröffentlichte jetzt ein elfseitiges Formular, mit dem interessierte Gruppen ihren Wunsch anmelden können, eine „freie Schule“ zu gründen, die vom Staat finanziert wird. Vorbild sind amerikanische „Charter“-Schulen.

Gove lockerte auch Planungsauflagen. Kleine Schulen können etwa in leer stehenden Ladengeschäften betrieben werden. Der konservative Hinterbänkler Douglas Carswell freute sich: „Jahrelang hat der Staat Schulplätze zugewiesen wie Sowjetplaner rationierte Lebensmittel. Aber immer mehr Eltern lehnen ab, was sie vom Staat angeboten bekommen und erziehen ihre Kinder selbst zu Hause.“

Trotz aller Gleichheitsideale ist unter der bisherigen Labourregierung die Leistungslücke zwischen Privat- und Staatsschulen gewachsen. Nach dem jüngsten Bericht der unabhängigen Schulaufsichtsbehörde Ofsted bieten nur 53 Prozent der Staatsschulen in England und Wales eine „gute Erziehung“. Labour investierte 4,5 Milliarden Pfund in Schulreformen, aber die Leistung stagnierte, weil Schulen laut Ofsted „in Initiativen, Vorschriften und Bürokratie erstickten“.

750 Gruppen und Organisationen haben Interesse an der Gründung einer autonomen Schule angemeldet. Die Hälfte davon sind Lehrer, der Rest unzufriedene Eltern oder karitative Organisationen und Stiftungen wie der „Sutton Trust“, der sich für Chancengleichheit einsetzt. Kommerzielle Anbieter sind von einer direkten Bewerbung ausgeschlossen.

Goves Schulpolitik entwickelt Ansätze von Ex-Premier Tony Blairs unabhängigen „Academies“, die von linken Labour-Politikern und Blairs Nachfolger Gordon Brown gebremst wurden. Nur 250 unabhängige „Academies“ gibt es erst. Unter der von Brown geführten Regierung wurde ihre Freiheit zudem eingeschränkt, unter anderem mussten sie wieder den stark kritisierten nationalen Lehrplan unterrichten. Nun soll neben den freien Schulen auch die Zahl der „Academies“ ansteigen. 70 Prozent der von Ofsted „hervorragend“ bewerteten Sekundarschulen wollen das neue Recht wahrnehmen und einen „academy status“ erwerben.

Den Einwand, Lehrer würden lehren und nicht Schulen betreiben, wies Gove in der BBC zurück: Das gerade sei das Probleme der vergangenen Jahre gewesen. „Wir werden dafür sorgen, dass sie mit Leidenschaft und Kreativität Schulen führen können, ohne bürokratische Einmischung und nationale Strategien, die vom Zentrum vorgeschrieben werden.“

Laut der Lehrergewerkschaft Nut werden die Pläne „Chaos anrichten“, zu noch stärkerer sozialer Auswahl führen. „Unser bestehendes Bildungssystem wird mit einem Wisch weggefegt“, so Nut-Sprecherin Christine Blower, die von einer „kolossalen Verschwendung knapper Mittel“ sprach.

Kritiker fürchten nun, dass Mittelschichten ihre Kinder von den bestehenden Schulen abziehen und in neue, freie Schulen schicken und das System von Einzugsbereichen schwächen. „Stellen Sie sich vor, man würde Supermärkte so schützen. Schulen müssen dem Wettbewerb ausgesetzt, nicht vor ihm bewahrt werden“, konterte Toby Young, Sprecher einer Gruppe von 500 Eltern, die in Ealing, Westlondon, eine freie Schule gründen will.

Antragssteller müssen beweisen, dass in den geplanten Schulorten Bedarf besteht, sie müssen ein Gebäude oder einen Bauplatz haben, einen Rahmenlehrplan vorlegen und ihre Befähigung nachweisen. Die freien Schulen werden rigoros von der Schulaufsichtsbehörde Ofsted kontrolliert. „Wenn sie scheitern, wenn sie nicht dem Standard entsprechen, wenn es Gemauschel gibt, werden sie geschlossen“, versichert Gove.

Matthias Thibaut

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