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Politik: Gegen Hitze und Staub

Die Feuerwehr sucht im engen Tunnel von King’s Cross noch immer 25 Vermisste

London - Zwei Tage nach den Bombenanschlägen in London sind noch immer nicht alle Leichen aus dem Tunnel des Bahnhofs King’s Cross geborgen. Mehr als 25 Personen wurden am Samstag noch vermisst. Während Scotland Yard mit der größten Ermittlungsaktion der britischen Kriminalgeschichte begann, geht an den Tatorten die Spurensicherung weiter. 30 Meter unter der Erde müssen unter extremen Bedingungen von Asbeststaub und Hitze immer noch Leichen aus den Wagen geborgen werden. „Es gibt keine Stelle, die nicht mit Organen oder Blut oder Stücken von Leichen bedeckt ist“, erzählte der Feuerwehrmann Steve Betts gestern dem „Guardian“.

Die Bauweise der Piccadilly Line macht deutlich, warum die Londoner ihrer U-Bahn den Spitznamen „tube“ (Tube) gegeben haben. Pro Fahrtrichtung gibt es jeweils einen engen, dunklen Schacht, dessen Durchmesser 3,60 Meter beträgt. Zwischen Waggondach und Tunnelgewölbe sind lediglich 15 Zentimeter Platz. Müssen Züge evakuiert werden, kann dies nur über den vordersten oder hintersten Waggon geschehen. Spezialisten prüften die Möglichkeit, die hinteren vier oder fünf Waggons vom vorderen Zugteil zu lösen und zurück zur Haltestelle zu ziehen, um besser an die zerborstenen Waggonwracks heranzukommen.

Unterdessen füllen die Gesichter der Vermissten die Wochenendzeitungen, quält Ungewissheit die Angehörigen. 100000 Anrufe gingen am Tag der Attentate bei einer Notfallnummer von Scotland Yard ein. Im Vergleich zu den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York sind es zwar viel weniger Menschen, die als vermisst gelten, die Bilder und die Reaktionen ähneln sich aber: Verzweifelte Angehörige hängen in der Stadt Flugblätter mit Schnappschüssen aus dem Urlaub oder Familienfotos mit Telefonnummern auf. „Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir werden uns nicht ändern“, steht auf einem Zettel an einer U-Bahn-Station. Während die Situation an der Station Aldgate East gespenstisch wirkt, weil die schrecklichen Ereignisse hier, wo sieben Menschen starben, fast unsichtbar sind, entwickelt sich der Bahnhof King’s Cross zu einer improvisierten Gedenkstätte. Viele Londoner legen hier Blumen und Karten ab mit Aufschriften wie „Ruhet in Frieden, unschuldige Engel“, „Wir werden ewig an euch denken“ oder „Die Gerechtigkeit wird siegen“. Dazwischen liegen Stoffteddys und Jesusbilder. Ein Pfarrer spricht mit den Trauernden. Immer wieder wird die andächtige Stille durch das Knattern der Rotorblätter einiger Militärhubschrauber gestört – Zeichen der andauernden Ermittlungen und Spurensuche.

Andere hinterlassen währenddessen am Busbahnhof gegenüber Vermisstenmeldungen und Zettel mit spontanen Gedanken: „Das Barbarentum wird die Freiheit niemals töten“, steht auf einem in Französisch, „Madrid fühlt mit London“ auf einem anderen. „Karolina wird immer noch vermisst“, steht unter dem Bild einer jungen Polin, daneben hängt das Foto einer 24-jährigen Türkin, deren Angehörige seit Donnerstag nichts mehr von ihr gehört haben. mit AFP/rtr

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