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Politik: Gegenpräsident in Mexiko ausgerufen

Erneut Straßenschlachten in Unruheprovinz Oaxaca

Von Michael Schmidt

Mexiko-Stadt - Seit Montagabend hat Mexiko drei Präsidenten. Den scheidenden Amtsinhaber, Vicente Fox. Den konservativen Sieger der Wahlen am 2. Juli, Felipe Calderón, der das Amt am 1. Dezember übernehmen will. Und den knapp unterlegenen linksorientierten Lopez Obrador, der den Wahlausgang nicht anerkennt und sich vor 100 000 Anhängern auf dem Zócalo, dem zentralen Platz von Mexiko-Stadt, zum „moralisch legitimen“ Gegenpräsidenten ausrufen ließ.

Er werde die Macht der großen Konzerne und der „neofaschistischen Oligarchie“ beschneiden, sagte Obrador. Dazu fehlt es ihm zwar rechtlich wie praktisch an der nötigen Macht. Dennoch ist die Sorge mancherorts groß, das scheinbar so stabile Schwellenland Mexiko – eine der 14 größten Volkswirtschaften der Welt – könnte ins Trudeln geraten. Denn Obrador kündigte zugleich weitere Massenproteste gegen die Politik des wirtschaftsliberalen Wahlsiegers Calderón an. Und wie zur Bestätigung kam es in Oaxaca, einem Zentrum der linksgerichteten Protestbewegung, zum Wochenanfang erneut zu Straßenschlachten.

Seit Wochen schon brennen hier die Barrikaden. Was vor einem halben Jahr mit einem Lehrerstreik für höhere Einkommen begann, hat sich zu einem breiten sozialen Protest entwickelt. Die bisherige Bilanz: Mehr als ein Dutzend Tote und zerstörte Gebäude. Oaxaca, sagt der deutsche Botschafter in Mexico, Roland Michael Wegener, könnte eine Metapher für ganz Mexiko sein. Will sagen: Unruhen, bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, Machtproben zwischen Gewerkschafts- und Bauernverbänden, Indios und linksgerichteten Demonstranten einerseits und dem Staat andererseits, könnte es überall im Land geben. In einem Land, das in einen reichen industrialisierten Norden und einen armen, ländlich geprägten Süden geteilt ist. Ein Land, in dem jeder zweite der insgesamt 106 Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze lebt – und die Kluft zwischen Arm und Reich riesig ist.

Noch geben sich Wirtschaftsvertreter demonstrativ ruhig angesichts der politisch-sozialen Turbulenzen. Mexiko sei eine bedeutende Wirtschaft mit guten Wachstumsaussichten, sagt Georg Braunleder, Präsident von Bayer Mexico, einer von insgesamt 950 deutschen Firmen in dem zentralamerikanischen Land. Makroökonomisch, was etwa Inflation, Schulden, Haushalt und Außenhandel betrifft, sei das Land „in guter Verfassung“, pflichtet ihm Michael Krause, Geschäftsführer des Deutschen Zentrums für Industrie und Handel in Mexiko-Stadt bei. Und Michael von Zitzewitz, Vorsitzender der Geschäftsführung der größten deutschen Messe in Frankfurt, gab gerade bekannt, in Amerika solle der Umsatz mit eigenen Veranstaltungen bis 2010 von 20 auf 40 Millionen Euro steigen – und Mexiko spiele in dieser Überlegung keine ganz kleine Rolle.

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