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Politik: Gegenwind aus Brüssel

Die EU-Kommission macht neue Vorgaben zur Energie- und Umweltpolitik – deutsche Unternehmen könnte das Millionen kosten.

Brüssel - Deutschland ist voll auf Kurs. 12,3 Prozent des Energieverbrauchs wurden 2011 aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Im Jahr 2020 sollen es 18 Prozent sein – der Beitrag zum europäischen Gesamtziel von 20 Prozent. Und bei der Geschwindigkeit, mit welcher der Ausbau von Wind- und Solarkraft in der Bundesrepublik derzeit vonstatten geht, ist die Ziellinie schon in Sichtweite.

Weitgehende Einigkeit besteht allerdings auch darin, dass die Art und Weise, wie der Ökostrom gefördert wird, womöglich nicht der günstigste Weg zum Ziel ist. Der Strompreis steigt – unter anderem weil es einen garantierten Abnahmepreis für die saubere Elektrizität gibt, für den zugleich immer weniger Kunden aufkommen. „Wir brauchen dringend eine Novelle des EEG“, sagte denn auch Kanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, das den Boom zu Beginn des Jahrtausends auslöste. Für eine Reform plädierte auch SPD-Kandidat Peer Steinbrück – nur will er erst die Stromsteuer senken, ehe Hand ans Fördersystem gelegt wird. Vielleicht müssen die Sozialdemokraten diese Reihenfolge überdenken – denn schon bald wird es eine Reihe neuer Vorgaben aus Brüssel dazu geben.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia wollte eigentlich schon vor der Sommerpause sein Urteil fällen. In Brüssel gilt es jedoch als offenes Geheimnis, dass der Spanier auf Drängen seines deutschen Kollegen Günther Oettinger (CDU) damit gewartet hat – bis nach der Bundestagswahl. Für die noch amtierende Regierung ist die nun in den nächsten Wochen erwartete Beihilferechtsentscheidung durchaus pikant. Die oberste Wettbewerbsbehörde prüft derzeit, ob eine von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Änderung des Erneuerbaren-Gesetzes eine unzulässige Subventionierung der Schwerindustrie darstellt. In seiner rot-grünen Ursprungsversion hatte das EEG den Brüsseler Marktwirtschaftstest bestanden, doch wollte die Regierung Merkel die energieintensiven, im globalen Wettbewerb stehenden Branchen von den Kosten der Energiewende entlasten und machte eine teilweise Befreiung von der EEG-Umlage möglich. Diese beantragen nun immer mehr Unternehmen – nach 2055 im vergangenen Jahr, sind es in diesem schon 2400. Was sie nicht mehr zahlen, merken andere nun auf der Stromrechnung.

Eine Verbraucherorganisation sowie mehrere kleine und mittlere Unternehmen aus Deutschland haben sich darüber nach Angaben der EU-Kommission beschwert. Und nach Angaben aus der Brüsseler Behörde gilt es als sehr wahrscheinlich, dass der entsprechende Artikel 40 des EEG als nicht mit EU-Recht vereinbar gerügt werden wird. „Wenn man so viele Ausnahmen erlaubt“, sagt auch die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, „stellt sich schon die Frage, ob das nicht eine Wettbewerbsverzerrung darstellt.“ Sollte der Prüfung ein offizielles Beihilfeverfahren folgen, könnten die deutschen Unternehmen rückwirkend die eingesparten Millionenbeträge nachzahlen müssen.

Noch mehr Sprengkraft dürfte ein weiteres Papier aus dem Hause Almunia entfalten, das auf den ersten Blick harmlos klingt. „Wir planen eine öffentliche Konsultation zu neuen Energie- und Umweltschutzleitlinien“, teilt Almunias Sprecher mit. Dahinter verbirgt sich eine Art Gebrauchsanweisung dafür, wie die Behörde das Wettbewerbsrecht auslegt. Es geht somit um die Frage, welche Energieformen künftig unter welchen Bedingungen staatlich gefördert werden dürfen.

Sie müssen nach Ansicht der EU-Kommission strenger werden, wie aus dem Entwurf hervorgeht. Anders als in der Einführungsphase, so die Argumentation, sind die Erneuerbaren längst nicht mehr so teuer zu produzieren. Nicht zuletzt wegen chinesischer Dumpingpreise für Solarpaneele gab es in diesem Fall gar einen regelrechten Preisverfall. Die Kommission erachtet die insgesamt 30 Milliarden Euro, mit denen die EU-Staaten im Jahr 2011 die Erneuerbaren förderten, daher als deutlich zu hoch: „Jede öffentliche Unterstützung muss zeitlich begrenzt sein“, heißt es in dem Papier: „Wo sie noch nötig ist, sollte sie auf ein Minimum beschränkt sein und den Marktpreis ergänzen und nicht ersetzen.“ Für den festen Einspeisetarif des deutschen EEG käme spätestens mit dieser Vorgabe das Aus. Höchstens ein Aufschlag auf den Börsenpreis käme dann noch in Betracht.

Die Nuklearenergie spielt als CO2-neutrale Alternative zu Wind und Sonne auch in der gerade begonnenen Debatte über die EU-Klimapolitik für das Jahr 2030 eine Rolle. Noch im Herbst wollen Oettinger und Klimakommissarin Connie Hedegaard einen ersten Vorschlag vorlegen. In den ersten Diskussionen mit den Mitgliedstaaten hat sich bereits gezeigt, dass Großbritannien und Frankreich nur noch eine Vorgabe befürworten – nämlich die zur Reduktion der Treibhausgase von rund 40 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990. Ohne Zielmarke für den Anteil der Erneuerbaren könnten London und Paris ihr Klimaziel mit der Atomkraft erreichen. Berlin hat sich dazu noch nicht positioniert – auch weil eine weitere Vorgabe in Sachen Ökostrom direkte Auswirkungen auf eine EEG-Reform hat: „Das“, sagt ein EU-Diplomat, „wird eine der vornehmsten Aufgaben der neuen Bundesregierung sein.“ Christopher Ziedler

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