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Geheimakte Agosta: Französische Justiz sieht Bombenanschlag als Staatsaffäre

Vor sieben Jahren starben bei einem Attentat in Karatschi elf Franzosen – ein pakistanischer Racheakt gegen Ex-Staatschef Chirac?

Sieben Jahre nach dem Bombenanschlag, bei dem am 8. Mai 2002 im pakistanischen Karatschi 14 Menschen, unter ihnen elf französische Rüstungsingenieure, ums Leben kamen, erscheint das Attentat in einem neuen Licht. Den Verdacht, dass die Terrororganisation Al Qaida hinter dem Anschlag stehen könnte, haben die beiden Pariser Untersuchungsrichter Marc Trevidic und Yves Jannier „völlig aufgegeben“. Stattdessen sind sie jetzt überzeugt, es mit einer „Staatsaffäre“ zu tun zu haben, in der die Namen des früheren Präsidenten Jacques Chirac, des ehemaligen Premierministers Edouard Balladur und des seinerzeitigen Budgetministers und heutigen Staatschefs Nicolas Sarkozy auftauchen.

Danach soll es sich um einen Racheakt pakistanischer Militärs dafür handeln, dass Chirac die Auszahlung von Kommissionen stoppte, die Pakistan beim Verkauf von U-Booten zugesagt worden waren. Chirac habe damit verhindern wollen, dass ein Teil der Schmiergelder in die Wahlkampfkasse Balladurs, seines Rivalen bei der Präsidentenwahl 1995, zurückflossen.

Schwerer Schock für Frankreich

Der Anschlag, der sich 2002 drei Tage nach Chiracs Wiederwahl ereignete, versetzte Frankreich damals einen schweren Schock. Ein Selbstmordattentäter hatte an jenem Morgen ein mit Sprengstoff voll gepacktes Auto gegen den Bus gelenkt, mit dem die französischen Ingenieure wie jeden Tag von ihrem Hotel in Karatschi zu ihrer Arbeitsstätte am Hafen gebracht wurden. Sie waren dort im Auftrag der staatlichen französischen Marinewerft DCN tätig, die mit Pakistan 1994 einen Vertrag über die Lieferung dreier U-Boote vom Typ Agosta abgeschlossen hatte. Der Vertrag hatte einen Wert von 5,5 Milliarden Francs (850 Millionen Euro). Zehn Prozent davon sollten als Kommissionen fließen.

In der allgemeinen Stimmung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wähnte sich Frankreich damals sofort im Fadenkreuz der Al Qaida. Doch weder diese Terrororganisation noch eine andere Gruppe haben sich jemals zu dem Attentat bekannt. Es gab damals in Pakistan 300 Festnahmen. Gegen zwei Verdächtige ergingen 2003 Todesurteile, die jedoch später von der Berufungsinstanz aufgehoben wurden. Gegen einen dritten verurteilten Verdächtigen läuft das Berufungsverfahren.

Militante Islamisten als Handlanger?

Auf die neue Spur stießen die beiden Pariser Richter im Zuge der Untersuchung von Korruptionsfällen bei anderen Waffengeschäften. Dabei fiel ihnen ein Bericht eines ehemaligen Geheimdienstmannes, Claude Thévenet, in die Hände, der als Privatagent für die DCN arbeitete. Aus dem bereits 2002 verfassten Bericht, der bisher geheim blieb, sollen Angehörige des pakistanischen Militärs und des Geheimdienstes militante Islamisten für das Attentat „instrumentalisiert“ haben, um Druck auf Frankreich auszuüben, seine Zahlungsverpflichtungen zu „honorieren“. Die Hintermänner hätten ein „rein finanzielles Ziel“ verfolgt.

Der Bericht deckt sich offensichtlich mit dem eines früheren Finanzdirektors einer Filiale der DCN, Gérard-Philippe Ménayas. Nach den Informationen von Ménayas habe der von Chirac verfügte Zahlungsstopp zu „dramatischen Folgen“ geführt. In ihrer Vernehmung durch die Untersuchungsrichter bestätigten der frühere Agent und der ehemalige DCN-Direktor im vergangenen Monat den Inhalt ihrer Berichte.

Die Zahlung von Kommission, die erst 2000 im Rahmen einer Konvention der OECD verboten wurden, war beim Abschluss des U-Boot-Geschäfts 1994 noch legal, nicht jedoch irgendwelche Rückflüsse. Dass diese im Spiel gewesen sein könnten, ergibt sich für die Richter womöglich aus einem anderen bei der DCN gefundenen Dokument. Darin ist von einer Firma mit Namen „Heine“ die Rede, die mit Zustimmung des damaligen Kabinettschefs Balladurs, Nicolas Bazire, und des Budgetministers Sarkozy gegründet wurde. Über Konten dieser Firma sollten die Kommissionen und die angeblich für Balladurs Wahlkampf bestimmten Rückflüsse abgewickelt werden. Staatspräsident Sarkozy verwies die Berichte über die angeblichen Finanz-Rückflüsse in den Bereich der „Fabel“.

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