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Politik: Gehortete Nahrung und verlorene Tarnkappen

WASHINGTON .Zuweilen ist sie geradezu makaber, die Informationspolitik der USA in Sachen Serbien-Krieg.

WASHINGTON .Zuweilen ist sie geradezu makaber, die Informationspolitik der USA in Sachen Serbien-Krieg.Am Dienstag abend unternahm die Weltpresse den vorläufig letzten Versuch, aus Pentagon-Sprecher Ken Bacon etwas Inhaltliches zum verlorengegangenen Stealth-Kampfflugzeug herauszuquetschen."Er ist immer noch weg", meinte Bacon lapidar.Abschuß oder Absturz? Die Indizien verdichten sich zwar, daß eine jugoslawische Boden-Luft-Rakete das Kampfflugzeug am vergangenen Freitag vom Himmel über Belgrad holte, doch gesagt wird nichts.

Zumindest in Washington.Bislang ist es London, das eine weit zuvorkommendere Pressepolitik betreibt.Die Briten waren es, die am Dienstag verkündeten, nun sei exakt die Hälfte der jugoslawischen Luftabwehr vernichtet.Gegen Saddam Hussein im Golfkrieg dauerte es 32 Tage, ehe diese Marke erreicht war.Pentagon-Sprecher Bacon wollte die britische Bilanz nicht kommentieren, legte sich aber bei einigen Waffensystemen auf konkrete Zahlen fest.Die Hälfte der serbischen MIG 29-Jagdbomber sei zerstört, und signifikante Teile der MIG 21 und Kampfhubschrauber im Dienste der jugoslawischen Bundesarmee.

Ein anderes überraschendes Detail kam am Mittwoch früh ans Licht.Laut US-Außenministerium wurde in Erwartung der internen Flüchtlingsströme innerhalb Kosovos vor Monaten mit dem Aufbau von Nahrungsmitteldepots begonnen.Vor wenigen Wochen lag genügend Essen bereit, um 400 000 Menschen bis September zu ernähren."Leider haben wir zu den meisten Reserven den Zugang verloren", räumte Außenamts-Sprecher James Rubin ein.Gegenwärtig sei nur noch erreichbar, was in Albanien gebunkert worden sei, und dies entspreche dem für 100 000 Menschen nötigen Ein-Monats-Vorrat.

Mannigfach sind die Widersprüche.Soll Milosevic Rambouillet unterzeichnen, oder gibt das Abkommen nur noch einen "Rahmen" ab, wie es in Washington heißt? Was meint Clinton, wenn er sagt: "Das brutale Vorgehen gefährdet die Aussichten des serbischen Anspruches auf Kosovo." Aus dem State Department kam fast gleichlautend: "Die Serben radikalisieren die Kosovo-Albaner dermaßen, daß ein künftiges Zusammenleben beider Volksgruppen nahezu unmöglich wird." Also doch Unabhängigkeit für die Provinz? "An unserer Ablehnung der Unabhängigkeit hat sich nichts geändert", widerspricht Rubin.Es gebe etwas dazwischen, meint er vieldeutig.Die Teilung Kosovos als NATO-Kriegsziel? Überhaupt keine Kommentare sind den Verantwortlichen zu entlocken, wenn es um die Implementierung eines wie auch immer aussehenden Waffenstillstandes, der ja irgendwann kommen muß, geht.Rußland hat vorgeschlagen, die osteuropäischen Staaten der "Partnerschaft für den Frieden" statt der jetzt kriegsführenden NATO-Einheiten als Polizeitruppe im Kosovo zu stationieren.Der Westen schweigt.

So ist der Serbien-Feldzug ein Krieg, über den man wenig weiß.Sichtbar ist, wie die Flüchtlingsströme über Kosovos Berge das Weite suchen.Die Zahl der bisherigen Opfer in Serbien? Völlig unbekannt.Moskau spricht von tausend, Wesley Clark, der NATO-Oberkommandierende, hält dies für "weit übertrieben".Der General begründet dies: "Wir können fast über jede Bombe Rechenschaft ablegen." Bislang geschieht dies intern, die Öffentlichkeit erfährt so gut wie nichts.

Was den verlorenen Tarnkappenbomber angeht, fürchten die USA offenbar, das Eingeständnis eines Abschusses - so es denn einer war - könne den Serben nützliche Hinweise auf die Wirksamkeit ihrer Abwehrsysteme geben.An einem kann die Informationsblockade freilich nichts ändern.Die geheimnisumwogenen Speziallackierungen, die zur Beinahe-Unsichtbarkeit der Stealth-Bomber für feindliches Radar beitragen, sind in der Hand Jugoslawiens."Wir haben dadurch nicht viel verloren", versichert indes US-Verteidigungsminister Cohen."Das Material ist äußerst schwierig zu duplizieren.Außerdem ist das eine einigermaßen alte Technologie, und wir sind längst in einer neuen Phase der Entwicklung." Wenn das mal keine Gesundbeterei ist.

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