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Politik: Geht das schon wieder los?

DIE SPD UND DIE STEUERN

Von Gerd Appenzeller

Was ist die Halbwertzeit eines Kanzlerwortes? Wie lange ist es verbindlich? Seit gestern wissen wir es. Zwei Monate gilt, was Gerhard Schröder sagt. Am 26. Juli sprach er im Fernsehsender n-tv so: „Wir haben keine Absicht, Steuern zu erhöhen, unabhängig von dem, was einer lieber hätte oder nicht lieber hätte.“ Gestern unterfütterte der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel seine Forderung nach höheren Steuern auf Vermögen und Erbschaften auch mit der großen Aufgeschlossenheit des Kanzlers gegenüber diesem Gedanken. Dass Schröder dem widersprochen hätte, ist nicht bekannt.

Sein Glück ist, dass er am 22. September wieder gewählt wurde. Sein Pech ist, dass diese Regierung deshalb keine Schonzeit hat, keine Stunde. Alle denkbaren Fehler hat sie in der ersten Legislaturperiode gemacht, ihr Vorrat an Freibriefen ist aufgebraucht. Entweder sie hat nun den Erfolg, den sie vier Jahre lang zu haben nicht gewagt hatte, oder die Öffentlichkeit – bitte, gerne auch: die veröffentlichte Meinung – wird Rot-Grün jede Dummheit auf der Stelle vorhalten. Die Steuerdebatte ist die erste dieser Dummheiten, und sie war zu erwarten. Wie sie ausbrach, wie sie ablief, entspricht leider allen Klischeevorstellungen von der SPD.

Die Steuereinnahmen brechen weg. Die öffentliche Hand müsste, dazu gibt es keine Alternative, durch Sparmaßnahmen und Umschichtungen gegensteuern. Was tut sie stattdessen? Sie denkt an neue Steuern. Natürlich sind Politiker nicht einfältig. Sie verpacken den Wunsch nach neuen Steuern deshalb in die Sorge um die öffentliche Wohlfahrt und die Zukunft des Volkes. Die Pisa-Studie hat traurige Defizite in der Bildungspolitik offenbar gemacht. Nicht etwa ganz besonders in sozialdemokratischen Ausprägungen der Bildungspolitik, nein, allgemein. Dagegen muss man etwas tun. Mehr Kindertagesstätten, mehr Ganztagsschulen. Wo holt man das Geld her? Bei den Reichen, bei wem sonst! Eine neu eingekleidete Vermögensteuer, die beim Bundesverfassungsgericht nicht wieder abgewatscht wird, und eine mit zusätzlichen Raffzähnen ausgestattete Erbschaftsteuer sollen das Geld bringen. Kurt Beck und Sigmar Gabriel haben dieses Ei ausgebrütet – ein Ei, das Heide Simonis schon vor langer Zeit gelegt hat. Genauer: vor der Wahl. Da hatte Schröder aber noch gesagt, dass man so etwas gar nicht ausbrüten darf. Noch nicht.

Die Vorstellungen von Vermögen und Erben, die die SPD hier offenbart, sind vulgär-marxistisch. Reichtum ist demnach entweder durch direkte Ausbeutung oder durch schräge Geschäfte entstanden und darf deshalb abgeschöpft werden. Reichtum zu vererben ist aber noch schlimmer. Die Reichen und die Erben zur Kasse zu bitten, ist also geradezu von volkserzieherischer Bedeutung.

Leider ist das alles ziemlich dumm. Vermögen entsteht aus versteuertem Einkommen. Wenn es wächst, etwa durch Zinsen, wird es auch jetzt schon besteuert. Schlägt der Fiskus zwei Mal zu, reduziert er das Vermögen Jahr für Jahr. Das ist kalte Enteignung. Wenn Rot-Grün das will, soll es die Regierung sagen. Ähnlich ist das beim Vererben von Betrieben. Entweder es gibt sinnvolle Freibeträge, dann lässt sich für den Staat nicht viel holen. Oder Unternehmen werden zerschlagen, um die Erbschaftsteuer zahlen zu können. Das kostet in der Regel Arbeitsplätze; das muss man vorher wissen.

Da ist noch etwas. Wir hatten gerade eine Steuererhöhung. Nichts anderes nämlich ist die Verschiebung der für 1.Januar 2003 geplanten nächsten Stufe der Steuerreform. Das war sinnvoll, um den Opfern des Hochwassers zu helfen. Dass die nächste Flut von der SPD kommt, hatte wohl keiner gedacht.

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