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Politik: Geht’s nicht kleiner?

In Köln und anderswo wird um den Bau von Moscheen gestritten – sogar der Kirchentag redet darüber

Die Angst vor Muslimen, die in Deutschland selbstbewusst aus den Hinterhofmoscheen treten und auf eine Gleichstellung mit den Christen pochen, treibt auch die Kirchtentagsbesucher in Köln um. Bei einer Veranstaltung in den Messehallen zum Thema Religionsfreiheit entlud sie sich am Donnerstag in tausendfachen Buhrufen gegen muslimische Verbandsvertreter. Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, wurde hingegen mit frenetischem Applaus empfangen. Statt Dialog gab es zwei Stunden Konfrontation.

In Deutschland herrsche eine „Mentalität“, die Toleranz und Religionsfreiheit offenbar nur auf die Christen beziehen, sie aber anderen Religionen, besonders den Muslimen, verwehren wolle, sagte Axel Ayyub Köhler, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Um der eigenen Profilierung willen schüre die evangelische Kirche das Misstrauen gegen die Muslime. Bischof Huber wies die Kritik zurück: Natürlich gelte die Religionsfreiheit in Deutschland auch für Muslime. Im Übrigen gehe es beim Dialog der Religionen darum, die unfriedlichen Aspekte der jeweiligen Religion „selbstkritisch zu korrigieren“. Nur Gespräche, die auch kontroverse Themen wie das Verhältnis zur Gewalt nicht aussparten, könnten dazu beitragen.

„Wir erwarten nur Normalität“, beteuerte Köhler, „wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als was uns verfassungsmäßig zusteht.“ Mit heftigen Buh- und Pfui- Rufen kommentierten die Kirchentagsbesucher die Worte von Bekir Alboga, Dialogbeauftragter der Ditib (Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion). Die Ditib, eine deutsche Ausgründung des türkischen Religionsministeriums, hat wie viele deutsch-muslimische Organisationen in Köln ihren Hauptsitz. Sie ist momentan aber besonders umstritten, weil sie hier eine neue Moschee bauen will, über deren Dimensionen seit Monaten heftig gestritten wird. Der Bau, mit zwei Minaretten in Höhe von 55 Metern und einer 34 Meter hohen Kuppel, wäre höher als die größte Berliner Moschee, die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm. Nach den Äußerungen des jüdischen Publizisten Ralph Giordano vor zehn Tagen, der eine Großmoschee für ein „falsches Signal hält, weil sie eine gelungene Integration vortäuscht“, eskalierte der Streit.

Beim Eröffnungsabend des Kirchentages am Mittwoch forderte BAP-Sänger Wolfgang Niedecken, man solle die Muslime doch endlich bauen lassen. Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) nutzte seine Eröffnungsrede dazu, die „Toleranz des katholisch geprägten Kölns“ zu preisen, wo Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen aufeinander zugingen. Davon spürt Bekir Alboga allerdings nichts. Die Kölner seien nun mal gegen den Islam, sagt er, da könne man noch so viele Liter Tee gemeinsam trinken. Er gibt zu, dass man die Bevölkerung „vielleicht zu wenig über den Bau aufgeklärt habe“, andererseits gab es einen öffentlichen Architekturwettbewerb, eine Ausstellung mit den Entwürfen, und schließlich das Recht, als Religionsgemeinschaft eine Moschee zu bauen. Die alte Fabrikhalle, in der die Ditib-nahen Türken jetzt beten, ist marode, in den Räumen, in denen Alphabetisierungskurse und Deutschkurse durchgeführt werden, regnet es schon mal durch. „Das Grundstück gehört der Ditib, also wo ist das Problem“, sagt Alboga.

Der Stadtteil Ehrenfeld habe sich stark verändert, sagt Johannes Maubach vom örtlichen Bürgerverein. Das treibe viele Alteingesessene mit Sorge um. Wo einst der erste Luxuswagen Horch produziert wurde und noch vor 40 Jahren Industriebetriebe das Straßenbild prägten, reihen sich heute Cafés, Ökobäckereien und immer mehr Kebaphäuser und Billigläden aneinander. In die sanierten Altbauten würden immer mehr türkische Familien ziehen, besonders nachdem Pläne der neuen Großmoschee bekannt geworden seien. Der Ausländeranteil liegt in Ehrenfeld derzeit bei 30 Prozent. Man befürchte, dass die Moschee noch mehr Türken anziehe, wodurch auch der Wert der Immobilien sinke. Maubach schätzt, dass die Hälfte der Bürger gegen den geplanten Bau sei. Die Ditib habe zu wenig informiert und teils widersprüchliche Angaben gemacht. Auch vermisst er feste Ansprechpartner bei der Organisation. Das habe das Vertrauen der Nachbarn nicht gerade gestärkt. Grundsätzlich habe er nichts dagegen, dass die Ditib eine Moschee baue auf ihrem Grundstück. „Aber geht’s nicht eine Nummer kleiner?“

Das fragt auch Jörg Uckermann, der Vorsitzende der Ehrenfelder CDU, der sich bislang als einziger Parteipolitiker öffentlich gegen das Moscheeprojekt ausspricht und damit in Ehrenfeld zu punkten hofft. Sein Standpunkt: Eine Moschee wäre okay, wenn sie nicht als Moschee zu erkennen ist. Der geplante Bau aber, direkt am Eingang zu Ehrenfeld, werde den Stadtteil dominieren, Ehrenfeld mit dem Islam identifiziert werden. Und das will Uckermann auf keinen Fall.

Dabei bestand Ende der 90er Jahre sogar der parteiübergreifende Wunsch, dass es Köln gut anstehe, wenn im Stadtbild zu erkennen sei, dass hier viele Muslime lebten – schätzungsweise 120 000 sind es heute. So wurde die Idee geboren, dass Köln eine „repräsentative Zentralmoschee“ bekommen solle, vorausgesetzt, die muslimischen Verbände, ob schiitisch, sunnitisch oder alevitisch, einigen sich auf ein Gebäude. Die Einigung kam nicht zustande, worauf sich die Ditib nun alleine daranmacht, das Großprojekt auf ihrem Gelände zu verwirklichen – bislang unterstützt von allen Rathausfraktionen.

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