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Betancourt

© dpa

Geiselbefreiung: Betancourt: "Es ist wie ein Wunder"

Nach ihrer Befreiung zeigte sich die Farc-Geisel Betancourt bei ihrer Ankunft in Bogotá sehr erleichtert und fiel ihrer Mutter in die Arme. Auch der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe freute sich über die beinahe filmreife Aktion.

Seit seinem Amtsantritt im August 2002 bekämpft der konservative kolumbianische Präsident Alvaro Uribe die linken Farc-Rebellen bis aufs Messer. Knapp sechs Jahre später konnte er am Mittwoch mit der Befreiung der Ex-Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt und 14 weiterer Geiseln, darunter auch drei US-Amerikaner, seinen bisher größten Triumph über die marxistische Rebellengruppe "Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens" (Farc) feiern.

Nach Einschätzung politischer Beobachter in Bogotá ist die trickreiche Befreiung ohne Blutvergießen ein weiteres Zeichen für die Schwächung der einst unschlagbar erscheinenden FARC. Im Beisein Betancourts und weiterer Ex-Geiseln erklärte Uribe: "Was für eine Erleichterung es ist, diese Nachricht verkünden zu können".

Zuletzt waren die Rebellen offenbar nur noch vor dem dank milliardenschwerer US-Hilfe immer stärker werdenden Militär auf der Flucht. Eine Tortur für die Geiseln, die durch das jahrelange Martyrium im Urwald oft psychisch und physisch völlig erschöpft waren. Auf der letzten Videobotschaft der Rebellen, die Ende vergangenen Jahres beschlagnahmt worden war, saß Betancourt völlig apathisch im Urwald. Die früher so kampfeslustige Politikerin hatte scheinbar jeden Lebenswillen verloren, sollte sogar todkrank sein.

"Das ist wie ein Wunder"

Ganz anders wirkte sie nun bei ihrer Ankunft auf dem militärischen Teil des Flughafens der Hauptstadt Bogotá. Betancourt, die eine Militärjacke trug, stieg am Militärflughafen in Bogotá als erste aus der Maschine von Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe. Sie lächelte und umarmte erleichtert ihre Mutter Yolanda Pulecio und dann ihren Mann Juan Carlos Lecompte. Sie danke "Gott und den kolumbianischen Soldaten", sagte die 46-Jährige dem kolumbianischen Armeesender Caracol.

Dann beantwortete die 46-Jährige mit erstaunlicher Eloquenz und Geduld die vielen Fragen der wartenden Journalisten. Es gehe ihr gesundheitlich gut, sagte sie und dankte dem Militär für die "ausgezeichnete Aktion", bei der kein Schuss gefallen war. Sie und die 14 weiteren Geiseln hätten nicht gewusst, dass es sich bei der Besatzung des Hubschraubers, mit dem sie angeblich in ein anderes Lager der Rebellen gebracht werden sollten, um Soldaten der kolumbianischen Armee gehandelt habe, die sich in die Rebellen-Gruppe eingeschleust hatten, sagte sie. Die Soldaten seien wie die Guerillas gekleidet gewesen und hätten auch wie sie gesprochen. Erst als der Helikopter in der Luft war, habe einer der Soldaten gesagt: "Wir sind von der kolumbianischen Armee. Sie sind frei!"

Der Helikopter habe daraufhin etwas an Höhe verloren, da die Geiseln vor Freude in die Luft sprangen. "Wir haben geweint und uns umarmt. Wir konnten es nicht glauben", erzählte Betancourt. "Das ist wie ein Wunder", sagte sie. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht fügte sie hinzu: "Danke Kolumbien. Danke Frankreich." Die 46-Jährige schien bei guter Gesundheit zu sein. In einem Ende November veröffentlichten Video war sie stark abgemagert auf einer Holzbank im Dschungel zu sehen gewesen. Zudem gab es Berichte, die Franko-Kolumbianerin leide an Hepatitis B und an einer Hautinfektion.

Dank auch an den politischen Gegner

Für ihren ehemaligen politischen Gegner Uribe, den sie als "sehr guten Präsidenten" bezeichnete, hatte sie ein besonderes Lob parat. Es sei vor allem seiner Wiederwahl 2006 zu verdanken, dass die Farc derart in die Enge getrieben werden konnten, sagte sie. Früher, als eine Wiederwahl von der Verfassung verboten war, hätten die Farc immer darauf vertrauen können, dass einer Regierung der harten Hand eine der ausgestreckten Hand folgen werde. Diese Verschnaufpause sei den Rebellen Dank der von Uribe betriebenen Verfassungsänderung von 2004, die seine Wiederwahl zwei Jahre später möglich machte, verwehrt geblieben. Betancourts Mutter hatte hingegen Uribe immer eine Mitschuld an dem Geiseldrama gegeben.

Nach dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez hatte sich zuletzt auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy für die Freilassung Betancourts eingesetzt, die auch einen französischen Pass besitzt. Aber alle Vermittlungsversuche scheiterten an der unnachgiebigen Haltung der Farc und Uribes. Beide Seiten pokerten hoch und Uribe ging mit der gewaltsamen Befreiung ein extremes Risiko ein. Wären die Geiseln dabei wie in vielen früheren Fällen zu Tode gekommen, hätte dies das vorzeitige Ende seiner zweiten Amtszeit einläuten können.

So jedoch steht der selten lächelnde und asketisch lebende Hardliner als strahlender Sieger da. Er erneuerte das Angebot an die Farc, "ernsthafte" Verhandlungen unter der Bedingung aufzunehmen, dass der bewaffnete Kampf zuvor eingestellt werde. Ob die Rebellen darauf eingehen ist fraglich. Der letzte derartige Versuch der Farc in Form der Partei Unión Patriotica endete vor 25 Jahren mit der Ermordung fast aller führenden Mitglieder durch rechte Todesschwadronen. (jg/dpa/AFP)

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