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Politik: Geiseldrama auf Jolo: Schröder und Fischer sind froh über die Freilassung der Deutschen - wie sie zustande kam, sagen sie nicht

Business As Usual. Hinter dem provisorischen Kanzleramt steigt Stoiber in seinen Wagen.

Business As Usual. Hinter dem provisorischen Kanzleramt steigt Stoiber in seinen Wagen. Wie die deutschen Landesbanken in Euroland zu retten seien, hat Schröder mit ihm besprochen. In der neuen Grünen-Zentrale hinter der Charité nimmt Fischer an der ersten Sitzung des neuen Parteirats teil. Aber was sind die Themen, die den Außenminister, den Kanzler heute interessieren? Sind ihre Gedanken nicht eher einige Tausend Kilometer weit weg, wo eine Deutsche gerade ins Flugzeug steigt? Renate Wallert heißt sie und ist die inzwischen wohl prominenteste jener Geiseln, deren Schicksal seit Wochen prominente und weniger prominente Landsleute beschäftigt.

"Wir freuen uns darüber", sagt Fischer kurz angebunden über die Freilassung. "Das gilt für alle Deutschen", sagt Schröder bei einem kurzen Auftritt für Kameras und Mikrophone im Foyer des Kanzleramtes. Wie war das möglich, endlich? "Kein Kommentar", sagt der Außenminister. Was wurde unternommen? "Was zu tun war", sagt der Kanzler, "ist getan worden." Nach Einzelheiten zu fragen hat keinen Zweck. Die erfahren auch die 14 Spitzenpolitiker der Grünen nicht, die sich mit Fischer im Parteirat freuen. Und der Kanzler gibt den Journalisten den ungewöhnlichen Rat: "Sie sollten das erst gar nicht recherchieren wollen!"

Dass die Reporter ihn gerade dort nicht befolgt haben, wo es am gefährlichsten war, vor Ort, auf der Entführungsinsel Jolo - das hat die sonst so medienbewussten Politiker diesmal in ohnmächtigen Zorn versetzt. Dass zu den Geiseln auf diese Weise noch zusätzliche journalistische Geiseln kamen - das hat die Lage aus ihrer Sicht noch kompliziert. So waren, so sind noch mehr Personen in Gefahr, so wurde auch bei der philippinischen Regierung und bei den Geiselnehmern der Verdacht genährt, da gebe es noch andere, als den einen Kanal über Manila.

Das ist jetzt erst mal geklärt. Gibt es nicht, und der eine Kanal hatte Erfolg. Endlich. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass dieser Erfolg zustande kam, nachdem die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Finnlands (der drei europäischen Länder, aus denen Geiseln stammen) in Manila verhandelt haben. Er hat der Regierung, vor allem den Militärs auf den Philippinen noch einmal mit allem Nachdruck signalisiert: Keine Gewalt! Und: Es muss schnell gehen. Schneller als Ihr gewöhnt seid! Dafür habt Ihr unsere Zusicherung: Wir vertrauen Euch!

Ist Lösegeld gezahlt worden? Die Minister haben in Manila gesagt: Wir zahlen nicht. Bei dieser Darstellung bleibt an diesem Tag auch die Regierung der Philippinen. Gleichwohl sickert aus Kreisen der Unterhändler durch, die Entführer hätten für Renate Wallert 43 Millionen Pesos erhalten (fast zwei Millionen Mark). Von zwei aschschwarzen Taschen ist die Rede, in denen das Geld enthalten gewesen sein soll. Details, wie aus einem Krimi. Aber das hier ist Realität. Für die ersten freigelassenen Geiseln aus Malaysia wurden Entwicklungshilfe-Projekte zugesichert. Das Geld muss also nicht in schwarzen Taschen kommen. Aber es kann. Es muss auch nicht von der deutschen, französischen oder finnischen Regierung kommen. Aber es kann. Es können auch die Philippinen zahlen und sich dann aus Berlin, Paris und Helsinki refinanzieren. Es kann private Geldgeber geben. Vieles ist möglich. Nichts wird bekannt gegeben.

Denn eine freigelassene Renate Wallert macht noch kein Ende der Affäre. Noch sind die anderen in der Hand der, ja, was denn? Terroristen, Fanatiker, Fundamentalisten? Geheimdienstanalysen wollen wissen, Geld sei den Entführern zehnmal wichtiger als islamistische Ideologie. Bei den beteiligten EU-Regierungen, keimt die Hoffnung: Es handelt sich um halbwegs rational kalkulierende, sozusagen geschäftsfähige Zeitgenossen. Zunächst hatte es ja mächtige Unklarheiten gegeben, wer wie verhandeln kann. Nun signalisiert die Freilassung: Man kann einen Deal machen - und der wird gehalten. Auf der anderen Seite hält sich auch das philippinische Militär an die Absprache und bekommt gezeigt: Es geht auch ohne Gewalt.

Aber noch können die Krisenstäbe in Berlin, Paris und Helsinki nicht auseinander gehen. Weiter gilt es die Geiseln mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen. Während Renate Wallert im Flugzeug sitzt wird weiter verhandelt - über die Freilassung ihres Mannes, ihres Sohnes, der anderen Geiseln. Nein, ein geschäftsmäßiger Betrieb, wie üblich, ist wohl auf absehbare Zeit noch nicht angesagt.

Gerd Appenzeller, Thomas Kröter

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