zum Hauptinhalt

Politik: Geiseldrama auf Jolo: "Sie muss handeln dürfen" - Psychotherapeutin Sibylle Rothkegel über Traumata

Sibylle Rothkegel ist Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und stellvertretende Leiterin des Behandlungszentrums für Folteropfer in Berlin-Charlottenburg.Frau Wallert war kaum frei, da ist sie bereits von der Presse bestürmt worden.

Sibylle Rothkegel ist Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und stellvertretende Leiterin des Behandlungszentrums für Folteropfer in Berlin-Charlottenburg.

Frau Wallert war kaum frei, da ist sie bereits von der Presse bestürmt worden. Ist das bedrohlich für sie?

Ja. Die Frau war lange gefangen, ist dabei aber fast permanent gefilmt worden. Sie ist vom Mensch zu einem Objekt degradiert worden, sie musste passiv sein. Sie war wochenlang Opfer, wie man nicht schlimmer Opfer sein kann. Und jetzt kommt sie frei und wird ein Objekt der Presse, und sie kann sich wieder nicht dagegen wehren. Dabei müsste sie in eine Umgebung, die sie schützt.

Wird Frau Wallert ihre Erlebnisse verarbeiten können?

Eine Verarbeitung kann erst beginnen, wenn auch ihr Mann und ihr Sohn frei sind. Jetzt geht es in erster Linie darum, den Gesundheitszustand zu stabilisieren.

Heißt das, sie hat Schuldgefühle, weil sie frei ist und die anderen nicht?

Ja, sie entwickelt eine Überlebensschuld. Das ist sehr typisch. Es gibt sogar Überlebende von Konzentrationslagern, die sich später schuldig fühlten. Sie weiß, ihr Sohn ist noch dort. Das bringt Phantasien in Gang, die Bilder kommen. Sie wird das Gefühl haben, verrückt zu werden.

Wie können die Psychologen Frau Wallert jetzt helfen?

Sie muss unbedingt in die Hand eines Experten. Nicht jeder Psychologe kennt sich mit Traumata aus. Man muss ihr sagen, dass sie normal ist, dass ihre Reaktionen normal sind, dass es normal ist, dass sie diese Bilder sieht und Albträume hat. Das ist menschlich. Das muss man ihr sagen. Denn die Bilder werden sie überfluten.

Wie sollten sich die Menschen in ihrer Umgebung verhalten?

Wichtig ist, dass Frau Wallert so bald wie möglich wieder ihren Alltag aktiv gestalten kann, wieder zu einer handelnden Person wird. Man darf sie nicht im Opferstadium belassen. Sie muss handeln dürfen.

Frau Wallert war kaum frei[da ist sie bereits von]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false