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Politik: Geiseln auf Jolo: Frühestens am Donnerstag sollen sie frei sein

Nach 115 Tagen im Dschungel sollen die neun westlichen Geiseln auf der philippinischen Insel Jolo am Donnerstag freigelassen werden. Zu ihnen gehören auch die beiden Göttinger Touristen Marc und Werner Wallert.

Nach 115 Tagen im Dschungel sollen die neun westlichen Geiseln auf der philippinischen Insel Jolo am Donnerstag freigelassen werden. Zu ihnen gehören auch die beiden Göttinger Touristen Marc und Werner Wallert. Die ursprünglich für Mittwoch geplante Freilassung verzögere sich wegen kleinerer Probleme, erklärte Robert Manaquil, Mitglied des Verhandlungsteams der philippinischen Regierung, am Dienstag.

Die Entführer haben nach libyscher Vermittlung einem Abkommen zugestimmt, ihre Geiseln in der Stadt Zamboanga auf der Nachbarinsel Mindanao den Behörden zu übergeben, teilte Chefunterhändler Robert Aventajado am Dienstag mit. Er lud die Botschafter der betroffenen Staaten ein, an der Übergabe-Zeremonie teilzunehmen. Auch nach französischen Angaben seien die Verhandlungen an einem wichtigen Punkt angelangt. Das bestätigte am Dienstagmittag das Außenministerium in Paris. In der Krise sei "klar ein wichtiger Augenblick" erreicht. Das Auswärtige Amt in Berlin gab keine Stellungnahme zu den neuen Entwicklungen.

Die mögliche Freilassung nach zahlreichen gescheiterten Anläufen ist ein Ergebnis libyscher Vermittlung zwischen der Regierung und den Moslemrebellen der Organisation Abu Sayyaf. Libyen trägt nach Angaben der philippinischen Unterhändler alle Kosten der Aktion, darunter auch ein Lösegeld in nicht genannter Höhe. Die Berliner Tageszeitung "Die Welt" berichtete in ihrer Dienstagausgabe unter Berufung auf den libyschen Unterhändler Abdul Rajab Azzarouq, die libysche Stiftung "Gaddafi Charity" habe 25 Millionen Dollar für 17 Geiseln bezahlt. Dieses Geld werde in Form von humanitärer Hilfe etwa für Schulen, Krankenhäuser und Plantagenaufbau in die südphilippinische Region fließen.

Am Montagabend war ein Flugzeug aus Libyen in der philippinischen Hauptstadt Manila eingetroffen, das die Geiseln ausfliegen soll. Es wurde nun im Süden der Philippinen erwartet. Die Freigelassenen sollen zunächst nach Libyen geflogen werden, von wo aus sie weiter in ihre Heimatländer reisen können. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete, dass mit dem Eintreffen der Geiseln in der libyschen Hauptstadt Tripolis für Mittwoch oder Donnerstag gerechnet werde. Bundesaußenminister Joschka Fischer halte sich bereit, in diesem Fall nach Tripolis zu fliegen, um Werner und Marc Wallert von dort nach Göttingen zu begleiten.

In der Gewalt der Kidnapper befinden sich neben den beiden Deutschen noch sechs Franzosen, drei Malaysier, zwei Finnen, zwei Südafrikaner und 14 Philippiner sowie eine Gruppe einheimischer christlicher Prediger. Am Mittwoch sollen auch drei französische Journalisten freikommen, die während der Berichterstattung über das am Ostersonntag begonnene Geiseldrama verschleppt worden waren.

Unterdessen geht es Renate Wallert fast vier Wochen nach ihrer Freilassung aus der Geiselhaft auf den Philippinen offenbar gut: "Davon gehe ich aus", sagte am Dienstag ihr Sohn Dirk. Nähere Angaben zum Zustand und Aufenthaltsort der 56 Jahre alten Musiklehrerin wollte er nicht machen. Auch zu den Meldungen, die restlichen auf Jolo festgehaltenen Geiseln könnten in den nächsten 48 Stunden freikommen, äußerte sich Wallert nicht.

Günter Siemers, Wissenschaftler am Institut für Asienkunde in Hamburg, wundert sich nicht, dass Libyen sich in die Verhandlungen um die Freilassung der Geiseln eingeschaltet hat. Philippinische Moslemrebellen sollen enge Verbindungen nach Libyen haben und dort in Trainingscamps ausgebildet worden seien. Für die Zeit nach der Freilassung erwartet Siemers ein hartes Vorgehen des philippinischen Militärs gegen die Rebellen.

Diese planen daher Geheimdienstberichten aus Manila zufolge neue Entführungen, um sich vor einem Militärschlag nach der Befreiung der Geiseln zu schützen. Möglicherweise haben sich Rebellen wieder auf den Weg nach Malaysia gemacht, um dort erneut westliche Touristen zu kidnappen. Nach Meinung philippinischer Behörden sind neue Entführungen die einzige Versicherung der Rebellen gegen einen Militärschlag.

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