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Politik: Geiz ist geil

Straßburg und Berlin streiten über Diäten – die deutschen EU-Abgeordneten leben gut mit ihren jetzigen Bezügen

Die ablehnende Haltung der Bundesregierung in der Frage der neuen Diäten- und Reisekostenregelung für Europaabgeordnete stößt in Brüssel auf Verwunderung. „Wir sind entsetzt, dass die Kampagne einer Boulevardzeitung die Haltung der Regierung so stark beeinflusst, dass ein gemeinsames Vorhaben aller Mitgliedstaaten blockiert wird“, heißt es in britischen Regierungskreisen. „Ich bin perplex, dass Deutschland sich unserem Konsens nicht anschließen kann“, so der EU-Parlamentspräsident Pat Cox in einem Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder.

In einem gemeinsamen Statut für alle Abgeordneten sollte eine einheitliche Diätenhöhe für das Europaparlament festgelegt werden. Bisher schwanken die Diäten zwischen fast 11 000 Euro für italienische Abgeordnete und etwa 3000 Euro für spanische. Mit der Erweiterung wird diese Kluft noch viel größer. Vorgeschlagen wird nun eine einheitliche Diätenhöhe von etwa 9000 Euro. Davon müssen, anders als bisher, 17 Prozent für „die Renten- und Krankenversicherung“ abgeführt werden. Außerdem wird die bisher bestehende Möglichkeit beschnitten, die Diäten über Reisekosten und Spesen aufzubessern. Die Nationalstaaten sollen außerdem die Möglichkeiten bekommen, eigene Steuerregelungen zu treffen.

Berlin und Wien wollen nun verhindern, dass am kommenden Montag über das Statut entschieden wird. Als Grundlage für die Höhe der Diäten sollen die Gehälter der Richter am Europäischen Gerichtshof dienen. Die Abgeordnetenbezüge sollen künftig 50 Prozent des Richtersalärs betragen. Wenn sich die Richterbezüge erhöhen, sollen auch die Diäten der Europaabgeordneten künftig steigen – gegen diesen Automatismus gibt es in Berlin Bedenken. In Brüssel sorgt die Berliner Blockade-Haltung hingegen für Irritation. Schließlich würde sich für deutsche Europaparlamentarier mit dem neuen Statut kaum etwas ändern. Dennoch: Nach einer intensiveren Kampagne der „Bild“-Zeitung heißt es in Berlin: „Die Neuregelung ist nicht vermittelbar“. Würde die Bundesregierung zustimmen, hätte dies katastrophale Auswirkungen auf Wahlbeteiligung und Ergebnis der Europawahlen, so die Analyse.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Hans-Gert Pöttering, und Cox ärgern sich indes darüber, dass die Bundesregierung sich erst in der Schlussphase der Verhandlungen der geplanten Diätenerhöhung angenommen habe. Cox hat sich in seiner inzwischen zweijährigen Amtszeit intensiv für das Abgeordnetenstatut eingesetzt.

Doch nicht nur Berlin, auch die deutschen Abgeordneten sind besorgt, noch einmal mit Foto einzeln in der „Bild“-Zeitung“ angeprangert zu werden. Bereits in der vergangenen Woche hatte die SPD-Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt erklärt: „Die SPD-Europaabgeordneten werden den geplanten Diätenerhöhungen nicht zustimmen.“

Warum sollen sich die deutschen Europaabgeordneten auch „Diätentrickserei“ vorwerfen lassen, wenn nicht sie, sondern nur Kollegen aus anderen (ärmeren) Mitgliedstaaten von der Änderung profitieren? „Uns ist es egal“, sagt ein deutscher Parlamentarier. „Für uns ist die alte Pensionsregelung sogar besser“. Auch von der bestehenden Reisekostenregelung profitieren deutsche Abgeordnete kaum, weil sie ohnehin innerhalb Deutschlands kostenlos reisen.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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