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Politik: Geld gegen Terror

Von Frank Jansen

Das Land atmet auf. Wieder ist es der Bundesregierung gelungen, im gefährlichsten Land der Erde deutsche Geiseln freizubekommen. Fünf Monate nach Susanne Osthoff konnten im Irak auch René Bräunlich und Thomas Nitzschke aus dem Würgegriff einer Entführerbande herausgelöst werden. Obwohl die Umstände der Freilassung teilweise unklar bleiben, ist eines sicher: Nicht nur die sächsischen Techniker und ihre Angehörigen, die ganze Republik schuldet vielen Helfern Dank. Das sind vor allem Außenminister Frank-Walter Steinmeier und die Mitglieder des Krisenstabes im Auswärtigen Amt, der in Bagdad ausharrende Botschafter Bernd Erbel und sein Personal sowie die Irak- und Terrorexperten der Sicherheitsbehörden. Das Lob für die Retter und die kollektive Erleichterung entbindet allerdings nicht von der Notwendigkeit, über die Schattenseiten der Freilassung zu reden. Und über die Lehren, die aus der Geiselnahme gezogen werden müssten.

Da wäre zunächst die Frage zu klären, wie künftig dem unbegreiflichen Leichtsinn deutscher Unternehmer vorgebeugt werden kann, die ihre Mitarbeiter nahezu schutzlos in ein Hochrisikoland schicken. Die Firma Cryotec hat René Bräunlich und Thomas Nitzschke einem unkalkulierbares Abenteuer ausgeliefert – und damit nicht nur das Leben der beiden aufs Spiel gesetzt, sondern auch die Bundesrepublik der Erpressung durch die Entführungsindustrie preisgegeben. Das können Staat und Gesellschaft nicht mehr hinnehmen. Es wäre an der Zeit, in Konfliktzonen engagierte Unternehmen mit einem strengen Sicherheitsreglement zu konfrontieren. Da müsste die Pflicht enthalten sein, vor Reisen in riskante Länder ein ausführliches Sicherheitsgespräch mit dem Auswärtigen Amt oder dem Bundesnachrichtendienst zu führen. Und die Behörden sollte in der Lage sein, einer Firma, die sich den Regeln verweigert, empfindliche Sanktionen anzudrohen. Bis zum Entzug von Steuervergünstigungen und staatlicher Aufträge – verlangt werden sollte auch die Übernahme aller Kosten, inklusive Lösegeld, die bisher von den Steuerzahlern aufgebracht werden. So könnte wenigstens die Wirtschaft zu mehr Risikobewusstsein veranlasst werden, wenn schon unberechenbare Einzelgänger wie Susanne Osthoff kaum aufzuhalten sind.

Stichwort Lösegeld. Die Bundesregierung sagt nicht, ob für die Freilassung von René Bräunlich und Thomas Nitzschke gezahlt worden ist. Doch es ist wahrscheinlich, dass die Geiselnehmer reichlich Geld erhalten haben – weil keine ihrer pompösen politischen Forderungen von der Regierung zu erfüllen war und somit offenkundig das eigentliche Interesse der Entführer, eine Summe in Millionenhöhe, befriedigt werden musste. Das ist fatal – mit dem Geld, das Terrorgangster bekommen, erst recht im Beinahe-Bürgerkriegsland Irak, werden Waffen gekauft, die womöglich bei der nächsten Entführung von Westlern zum Einsatz kommen. Oder bei Anschlägen auf US-Soldaten, irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten. Der Westen finanziert mit Lösegeld teilweise den Krieg gegen sich selbst und gegen die Bevölkerung im Irak. Diese perverse Logik muss gebrochen werden. Anstatt stumm die nächste Geiselnahme plus weiter steigende Lösegeldforderungen abzuwarten.

Jetzt, da René Bräunlich und Thomas Nitzschke frei sind und keine Missverständnisse bei ihren Angehörigen zu befürchten sind, wäre zu überlegen, in solchen Fällen künftig Lösegeld zu verweigern. Das ist eine heikle Debatte. Der Gedanke, eigene Angehörige gerieten in die Hand von Geiselnehmern und die Regierung bliebe stur, ist grausam. Und dennoch: Deutschland sollte gegen den Entführungsterror mit anderen Ländern, deren Bürger im Irak gekidnappt wurden, an die Seite der USA treten – die prinzipiell nicht zahlen. Das Signal wäre klar: Wir sind nicht länger erpressbar. Wir sind mental nicht weniger wehrhaft als die Regierung von Helmut Schmidt, die 1977 in Mogadischu ein entführtes Flugzeug mit deutschen Touristen von der GSG 9 stürmen ließ, anstatt vor den palästinensischen Geiselnehmern zu kuschen. Auch wir sollten nicht länger den Kampf gegen uns selbst fördern.

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