zum Hauptinhalt

Politik: Geld oder Pass?

In Deutschland wird nun über eine mögliche Entschädigung für den Guantanamo-Häftling diskutiert

Berlin - Eine Nachricht vom Wochenende wirft auf den Fall Murat Kurnaz ein neues Licht: Die kanadische Regierung hat sich bei einem ihrer Bürger förmlich entschuldigt und wird ihm 10,5 Millionen kanadische Dollar an Entschädigung zahlen. Der Informatiker Maher Arar war in den USA festgenommen und nach Syrien gebracht worden, wo er gefoltert wurde. Die kanadische Polizei hatte den syrischstämmigen Mann den US-Behörden, fälschlicherweise, als Al-Qaida- Mann geschildert.

Die Oppositionsabgeordneten Wolfgang Neskovic (Linksfraktion) und Hans-Christian Ströbele (Grüne), beide Juristen und Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Geheimdienste zuständig ist, halten einen ähnlichen Ausgang der Affäre Kurnaz nicht von vornherein für ausgeschlossen. „Grundsätzlich muss Kurnaz entschädigt werden“, sagt Neskovic. „Die Frage ist jedoch, von wem. Zunächst stehen die Amerikaner als diejenigen, die Guantanamo zu verantworten haben, in der Pflicht. Ob Deutschland dazu verpflichtet ist, lässt sich nach den bisherigen Erkenntnissen nicht abschließend beurteilen.“ Neskovic empfiehlt, weitere Erkenntnisse abzuwarten: „Wenn etwa durch den Untersuchungsausschuss festgestellt wird, dass die Bundesregierung oder deutsche Behörden Möglichkeiten hatten, Kurnaz vor Haft und Misshandlungen zu bewahren und sie nicht genutzt haben, dann wird man über Schadenersatz auch von deutscher Seite für ihn ernsthaft nachdenken müssen.“

Auch der Berliner Abgeordnete Hans-Christian Ströbele möchte abwarten, bis „alle Fakten auf dem Tisch liegen“. Eine Genugtuung für Kurnaz, so Ströbele, der das Wort Wiedergutmachung nicht benutzen möchte, könnte seine Einbürgerung sein. „Mich hat beeindruckt, dass er bei seiner Aussage vor dem Ausschuss betonte, er fühle sich seinem Heimatland Deutschland weiterhin verbunden. Er hat aber nach wie vor keinen deutschen Pass. Eine mögliche Schlussfolgerung könnte sein, dass er schnell die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt.“

Kurnaz’ amerikanischer Anwalt Baher Azmy ist, was die US-Seite angeht, eher skeptisch: „Das amerikanische Recht schirmt den Präsidenten und das Militär massiv gegen Entschädigungsprozesse wegen Rechtsverletzung ab“, sagte Azmy dem Tagesspiegel. „Im Normalfall wäre es so gut wie ausgeschlossen, dass ein Gericht die Regierung wegen illegaler Inhaftierung zur Zahlung an Kurnaz verurteilt.“ Der Fall sei freilich außergewöhnlich, denn die Behörden hätten schließlich schon 2002 gewusst, dass Kurnaz unschuldig war. „Dennoch bleiben die Hürden extrem hoch.“

Die Frage, wer – beziehungsweise ob – im Fall Kurnaz auf deutscher offizieller Seite Schuld auf sich geladen hat, dürfte Parlament und Regierung in Berlin auch in dieser Woche umtreiben. Die Union hatte sich am Wochenende erschrocken über die Äußerungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, er würde jederzeit wieder so handeln wie seinerzeit als Kanzleramtsminister. Der Obmann der Union im BND-Untersuchungsausschuss, Hermann Gröhe, hatte dem Tagesspiegel gesagt, wer Kurnaz’ Verbleib in Guantanamo akzeptierte, habe im Grunde „das rechtsstaatswidrige Konzept von Guantanamo“ nachvollzogen.

Der Außenminister hat gestern erneut angeboten, dem Ausschuss rasch zur Verfügung zu stehen. Gleichzeitig versicherte er, die Regierung habe damals nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Menschenrechtsprinzipien habe man nicht geopfert.

Zur Startseite