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Politik: Gelungene Generalprobe

Kuba bereitet sich auf die Zeit nach Fidel Castro vor

Eine Woche ist der erkrankte Fidel Castro von der Bildfläche verschwunden, und die Generalprobe für den Ernstfall ist für sein designiertes Nachfolgerteam bisher durchaus erfolgreich verlaufen: Es kam nicht zu Unruhen auf Kuba, die Generalmobilmachung verlief derart subtil, dass Urlauber davon kaum etwas merkten, die staatlichen Medien behielten die Kontrolle über die Berichterstattung. Selbst die einheimischen Dissidenten blieben handzahm, riefen zur Mäßigung auf oder wiederholten allenfalls ihre üblichen Forderungen, wie etwa die Damen in Weiß – die Ehefrauen verhafteter Regimegegner –, die um eine Freilassung der politischen Gefangenen baten. Allerdings will die kubanische Regierung offensichtlich den Empfang von Fernsehsendungen der Exilkubaner aus den USA unterbinden.

Dass der designierte Nachfolger, Fidels Bruder Raul, sich nicht der Öffentlichkeit präsentierte, stört allenfalls ausländische Kommentatoren. „Das ist nicht sein Stil, er glaubt nicht an medienwirksame Massenauftritte und hat sie auch nicht nötig: In Kuba hat die Macht, wer den Sicherheitsapparat kontrolliert“, erklärt ein Kenner der kubanischen Politik. Solange Fidel noch am Leben ist – selbst wenn er künftig nur noch die Fäden im Hintergrund zieht –, dürfte alles beim Alten bleiben. Zu großen Respekt haben die Kubaner vor ihrem bärtigen Comandante. „Er hat sein ganzes Leben lang nur für Kuba gearbeitet und dabei sicher auch Fehler gemacht, wie jeder Vater. Aber wir haben ihm viel zu verdanken“, sagt der Biologe Rodrigo, der sein mickriges Staatssalär mit einem Job als Taxifahrer aufbessert. Ob und wann Fidel noch einmal die Amtsgeschäfte übernimmt, ist eine zweitrangige Frage. Der Übergang ist vorbereitet und ein Chaosszenario so gut wie ausgeschlossen. Was auch damit zu tun hat, dass die Wirtschaft Kubas heute sehr viel besser dasteht als vor 15 Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. „Damals waren die Voraussetzungen für eine Hungerrevolte gegeben, heute fließt viel Geld ins Land, und dank der Erdöllieferungen aus Venezuela hat sich auch die Energieversorgung verbessert“, sagt ein Staatsbediensteter.

Interessanter dürfte die mittelfristige Entwicklung auf der Tropeninsel werden. Ein „chinesisches Szenario von Kontinuität mit Wandel“, sagt der Kuba-Autor Anthony De Palma voraus, der US-Analyst Brian Latell glaubt, dass jeder Reformversuch zu einem Zusammenbruch des Systems führen wird – wie einst in der UdSSR. Reisefreiheit, freie Berufsausübung, freie Wahl des Studienfachs und angemessene Bezahlung – das ist der Wunschzettel fast aller Kubaner. Dass dies mit einem Systemwechsel einhergehen muss, glauben nur die wenigsten. Denn die Vorteile des Sozialismus – kostenlose Ausbildung und Gesundheitsversorgung, billige Grundnahrungsmittel und billigen Wohnraum – haben sie in den vergangenen 47 Jahren schätzen gelernt. Die Furcht ist groß, dies bei einem Systemwechsel zu verlieren.

Jessica Müller[Havanna]

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