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Politik: Gemäßigte Islamisten rechnen mit Wahlsieg in Marokko

So viele Polizeikontrollen haben die Menschen in Marokko schon lange nicht mehr gesehen. Schon Wochen vor der Parlamentswahl am Freitag wurden Armee und Polizei in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

So viele Polizeikontrollen haben die Menschen in Marokko schon lange nicht mehr gesehen. Schon Wochen vor der Parlamentswahl am Freitag wurden Armee und Polizei in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die Angst, dass religiöse Extremisten die zweite Parlamentswahl unter König Mohammed VI. (44) mit Terroranschlägen torpedieren könnten, ist groß. Mitte August hatte ein Attentäter versucht, in der Stadt Meknes einen Urlauberbus in die Luft zu sprengen. Westliche Diplomaten sorgen sich derweil darum, dass das verbündete Marokko zunehmend zur „Rekrutierungsbasis für internationale terroristische Gruppen“ werde.

Mit den gewaltbereiten Fundamentalisten will Saad al Othmani (51), Chef der moderaten Islamistenpartei Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) nichts zu tun haben. Im Gegenteil: Seine Gerechtigkeitsbewegung, der gute Chancen zum Wahltriumph eingeräumt werden, gibt sich staatstreu und handzahm. Man forme so etwas „wie ein Bollwerk gegenüber den Extremisten“ – ein legales Ventil für die große Masse der Unzufriedenen. „Wir bieten eine moderate Konzeption des Islam an“, definiert Othmani seine Erfolgsstrategie. Offenbar sieht König Mohammed VI. dies ähnlich. Denn erstmals darf Othmanis PJD ohne größere Einschränkungen bei einer Wahl antreten, von der Mohammed verspricht, dass sie „sauber“ ablaufen werde. Umfragen zufolge kann die PJD damit rechnen, die Zahl ihrer bislang 42 Mandate fast zu verdoppeln und zur stärksten politischen Kraft in dem nordafrikanischen Land aufzusteigen.

Gegen „saubere“ Wahlen spricht allerdings, dass in der Vergangenheit der Vorwurf der Wahlmanipulation nie ganz verstummt ist. So blieben Zweifel an der offiziellen Wahlbeteiligung von 52 Prozent im letzten nationalen Urnengang im Jahr 2002. Denn das politische Desinteresse des 30-Millionen-Volkes, von dem wegen des hohen Jugendanteils nur 15 Millionen Menschen wahlberechtigt sind, ist sehr groß. Zudem änderte sich im letzten Jahrzehnt kaum etwas an Armut, Arbeitslosigkeit und einer Analphabetenquote von 50 Prozent. Genauso wenig wie an der allgemeinen Korruption im Staat sowie der Machtfülle des Königs, dessen Entscheidungen von Parlament und Regierung nur abgenickt werden.

Deshalb wird auch nun eine geringe Wahlbeteiligung erwartet. So fragen sich viele Menschen in den Elendsvorstädten der Metropole Casablanca, wo PJD-Generalsekretär Othmani besonders eifrig auf Stimmenfang ging, warum sie eigentlich wählen gehen sollen.

Ralph Schulze[Madrid]

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