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Politik: Gemeinsam lohnt

Von Axel Vornbäumen

Machen wir es ihnen unbequem, schrauben wir die Ansprüche hoch, dieses eine Mal noch, desillusioniert sind wir doch schon genug, oder nicht? Lassen wir also einen Moment lang mal die Frage nach dem Sinn der Eigenheimzulage weg und den kleinkarierten Zwist darüber, ob sich dafür wohl eine gesichtswahrende Verrechnungseinheit in Form von Bastelarbeiten am Antidiskriminierungsgesetz findet oder an der Unternehmenssteuerreform oder sonstwo. Tun wir, um der dramatischen Sache willen, so, als ob es keine Eitelkeiten gäbe in der Politik, kein Taktieren, kein Stieren auf Wahltermine...

Die dramatische Sache – Massenarbeitslosigkeit. Heute ist Montag. Sollte heute nicht die Woche der Weichenstellungen beginnen?

Was, wenn nach dieser Woche der Wahrheit, die nun begonnen hat, tatsächlich nichts mehr so wäre, wie es vorher war? Wenn, nach Jahren der Ratlosigkeit, spätestens am Freitagmorgen wenigstens eines erreicht wäre: Ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass es so nicht weiter gehen kann in diesem Land, nein, längst nicht mehr! Ein flächendeckendes, schichtenübergreifendes Bewusstsein dafür, dass eine Gesellschaft daran kaputt zu gehen droht, schleichend erst, dann immer schneller, wenn sie sich dauerhaft indifferent dem gegenüber verhält, dass Millionen aus ihrer Mitte von geregelter Erwerbsarbeit ausgeschlossen sind. Was also, wenn just am 18. März, dem 15.Jahrestag der ersten (und letzten) freien Volkskammerwahl, jene Erkenntnis griffe, die der aus dieser Wahl als Sieger hervorgegangene Lothar de Maizière seinerzeit präzise so formulierte: Die Teilung Deutschlands kann nur durch Teilen überwunden werden. Das wäre viel.

Ach, zu naiv? Ein zu hoher Kammerton für ein von allen Seiten längst entlarvtes Polit-Spektakel, für eine Showveranstaltung, von der sich das Auditorium gar nichts und die Darsteller allenfalls ein paar Startvorteile für den beginnenden NRW-Landtagswahlkampf erwarten?

Moment. Geht denn noch mehr? Am Dienstag redet immerhin der Bundespräsident, am Donnerstagmorgen der Kanzler. Am gleichen Nachmittag dann ist „Gipfel“ mit Merkel und Stoiber und Fischer. Eine derartige Termindichte auf hoher Protokollebene wird es für lange Zeit nicht mehr geben. Und das alles sollen nur weitere Rituale der Ratlosen sein, so wie die Auftaktveranstaltung am vergangenen Donnerstag im Bundestag, als über den „Pakt für Deutschland“ diskutiert wurde, hochtrabend, und mit einem in Stein gemeißelten Rollenverständnis?

Es scheint, als seien die Armutszeugnisse schon geschrieben, in den Parteizentralen, in den Redaktionen, im Volk sowieso: 77 Prozent, hat das Umfrageinstitut forsa ermittelt, erwarten nicht, dass sich nach dem Spitzengespräch im Kanzleramt die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessern werde. Dramatischer kann der Vertrauensverlust nicht sein.

Doch Politik kann mehr. In ihren besten Momenten kann sie mitreißend sein, im doppelten Wortsinne. Sie muss Leitgedanken vorgeben, sie hat die Pflicht dazu, in historischen Ausnahmesituationen allzumal. Die Situation ist da: Dass die Gesellschaft Massenarbeitslosigkeit erduldet, wiegt als Skandal nicht minder schwer, wie die Tatsache, dass die Politik keine Rezepte dagegen entwickelt hat. In Deutschland muss die Ressource Arbeit geteilt werden, von denen, die haben, für alle, die wollen. Und der Lohn? Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Gelingt das nicht, dann werden die Verteilungskämpfe gnadenlos sein.

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