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Politik: Gemeinsam uneinig

Die EU verständigt sich nur darauf, wie sie vorgehen will – die unterschiedlichen Positionen zur Unabhängigkeit bleiben

So unterschiedlich die Vorstellungen über die Zukunft des Kosovo immer noch sind – eines ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beim Treffen der EU-Außenminister am Wochenende in Bremen immerhin gelungen: Die Europäer wollen diese Woche bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York mit einer Stimme sprechen. „Wir haben einen Mechanismus vereinbart, um uns abzusprechen und ein gemeinsames Vorgehen festzulegen,“ sagte Steinmeier, der als EU-Ratsvorsitzender Gastgeber des Treffens war.

Die Festlegung auf eine gemeinsame Position in der Kosovo-Debatte der Vereinten Nationen ist keineswegs selbstverständlich. Denn die 27 EU-Außenminister waren sich in Bremen über den künftigen politischen Status der formal noch zu Serbien gehörigen, mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz keineswegs einig. Einigen Regierungen bereitet der Plan des UN-Sonderbeauftragten Martti Ahtisaari, der eine weitgehende Unabhängigkeit des Kosovo vorsieht, nämlich weiter Unbehagen. Sie fürchten einen Präzedenzfall, auf den sich die Minderheiten in ihren Ländern berufen könnten. Vor allem die Regierung der Slowakei sieht Ahtisaaris Kosovo-Plan kritisch. Sie hat offensichtlich Sorgen, die ungarische Minderheit im Land könnte vom Beispiel des Kosovo ermuntert werden, ähnliche Autonomieforderungen zu stellen.

Dass es in Bremen trotzdem gelang, alle Außenminister auf einen gemeinsamen Kurs in New York einzuschwören, ist deshalb für den deutschen EU-Ratsvorsitzenden ein Erfolg. „Wir brauchen eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrats, die sowohl die legitimen Interessen des Kosovo als auch Serbiens berücksichtigt“, erklärte Steinmeier am Wochenende. Ob es im UN-Sicherheitsrat diese Woche allerdings tatsächlich zu einem Beschluss auf der Grundlage des Ahtisaari-Plans kommt, ist keineswegs sicher. Die albanische Mehrheit im Kosovo fordert die uneingeschränkte Unabhängigkeit von Serbien. Die Regierung in Belgrad dagegen lehnt die Abspaltung der Provinz strikt ab. Dem finnischen UN-Sonderbeauftragten ist es in den zähen Verhandlungen der vergangenen Monate nicht gelungen, die unterschiedlichen Positionen einander näher zu bringen.

Zudem ist damit zu rechnen, dass Russland und China im UN-Sicherheitsrat dem Ahtisaari-Plan in seiner gegenwärtigen Form ihre Zustimmung verweigern. Sie lehnen die Unabhängigkeit des Kosovo ab, selbst wenn die Provinz auf absehbare Zeit unter internationaler Kontrolle bleiben sollte.

Dennoch ist man in Berlin und Brüssel zuversichtlich, in den nächsten Wochen einen Kompromiss aushandeln zu können. Zum Plan des UN-Sonderbeauftragten gebe es keine vernünftige Alternative. Schließlich sei er nicht am grünen Tisch entworfen worden, sondern spiegle realistisch die gegenwärtige Situation in der Region. Auch der UN-Generalsekretär stehe uneingeschränkt hinter dem Plan Ahtisaaris, ebenso die EU-Kommission und das Europaparlament.

Obgleich sich Kosovaren und Serben weiter misstrauisch gegenüberstehen, sei die deckungsgleiche „Schnittmenge“ beider Positionen, so meinen deutsche Diplomaten, gar nicht so klein wie es gegenwärtig aussehe. Die EU-Außenminister stellten den Serben zudem die Annäherung an die EU in Aussicht. „Die Beitrittsperspektive ist das Zuckerbrot, mit dem die EU-Außenminister die Serben zum Kompromiss locken“, so ein Balkanexperte am Wochenende.

Gelingt es, beide Seiten zum Einlenken zu bewegen und eine neue UN-Resolution zu verabschieden, dann könnte schon diesen Sommer die Umsetzung des Ahtisaari-Plans beginnen. Beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo wäre dann vor allem die Europäische Union gefordert, die an der Stabilität vor ihrer Haustür großes Interesse hat. In Bremen haben der EU-Außenbeauftragte Javier Solana und EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn den Außenministern einen Bericht vorgestellt, der die voraussichtlichen Kosten auflistet, die auf die internationale Staatengemeinschaft im Fall der Unabhängigkeit des Kosovo zukämen – allein in den ersten drei Jahren zwischen 1,3 und 1,5 Milliarden Euro.

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