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Politik: Gene statt Autos

Von Jan T. Günther und Moritz Schuller Was die Deutschen am liebsten erfinden, daran hat sich in den letzten 30 Jahren nichts geändert: Noch immer stammen die meisten Patentanmeldungen aus dem Bereich der Automobiltechnologie.

Von Jan T. Günther

und Moritz Schuller

Was die Deutschen am liebsten erfinden, daran hat sich in den letzten 30 Jahren nichts geändert: Noch immer stammen die meisten Patentanmeldungen aus dem Bereich der Automobiltechnologie. Doch langsam muss sich das Deutsche Patent- und Markenamt, das heute seinen 125. Geburtstag feiert, auch auf die neuen Technologien einstellen: Seit 1995 haben sich die biotechnologischen Anmeldungen bei dem Münchner Amt von 500 auf 1114 verdoppelt. In der Gentechnologie hat sich die Zahl der Anmeldungen sogar fast vervierfacht. Und neue Technologien erfordern neue Patentprüfer: „Wir leben davon, dass wir frische Wissenschaftler bekommen“, sagt Jürgen Schade, der Präsident des Patentamtes.

Mit der wachsenden Bedeutung der modernen Technologien verändert sich aber auch die politische und moralische Verantwortung des Patenamtes. Gerade bei den gentechnologischen Patenten unterscheiden sich die Anforderungen international nämlich noch dramatisch. Während die Standards des Deutschen und des Europäischen Patentamts sich in großen Zügen decken, vergeben die Amerikaner Patente sehr viel freizügiger. In den USA kann man „Entdeckungen“ patentieren lassen, auf die man auch ohne technische Hilfsmittel stößt. Gegen eine solche Praxis, insbesondere gegen die Patentierung von Genen, wehren sich in Deutschland zahlreiche Organsiationen von Greenpeace bis zur Bundesärztekammer. „Gene kann man nur entdecken, nicht erfinden“, sagt dazu Imke Ide von Greenpeace Deutschland. Im deutschen Patentrecht wird diese Unterscheidung bisher gewahrt. „Die Latten hängen bei uns höher“, sagt Patentamtspräsident Schade.

Der letzte große Versuch, das Patentrecht global zu harmonisieren, führte 1995 zum „Abkommen über handelbezogene Aspekte geistigen Eigentums“ (Trips). Doch auf mehr als auf die Laufzeit von Patenten und die Gleichstellung von In- und Ausländern, konnte man sich damals nicht einigen.

Wie notwendig eine international einheitliche Regelung wäre, hat gerade erst der Streit um pharmazeutische Patentrechte deutlich gemacht: Um billiger an Aids-Medikamente zu kommen, drohte Südafrika, das Patent der amerikanischen Pharmafirmen zu brechen. Erst auf Druck zogen die Amerikaner ihre Klage dagegen zurück.

Das Patentrecht sichert einer Firma ein Monopol für 20 Jahre. Das sei sinnvoll, sagt Schade, schließlich betragen die Entwicklungskosten einer neuen Pille heute durchschnittlich 500 Millionen Euro. Und der „nationale Notstand“, auf den sich Südafrika berufen hatte, sei längst im Patentrecht festgeschrieben. Offen sei nur, wann von Notstand gesprochen werden darf. Nicht zuletzt wegen solcher Fragen, wird sich das Patentamt neben der Fahrzeugtechnik in Zukunft auch mit Ordnungspolitik beschäftigen müssen.

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