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General a. D. Naumann: "Wir müssen unsere Verbindungswege schützen"

Die Nato gibt sich ein neues strategisches Konzept. Der ehemalige Vorsitzende des Nato-Militärausschusses Klaus Naumann darüber, ob es die richtige Antwort auf die Probleme der Gegenwart ist.

Ich verstehe das Papier als Grundlagendokument und den Beginn eines Prozesses, der Antworten finden soll auf Fragen: Was ist Verteidigung im 21. Jahrhundert? Wo beginnt sie? Wie wird sie durchgeführt? Zum Beispiel beim Thema Cyberattacken aus dem Internet. Kollektive Verteidigung als Kernaufgabe klingt gut, aber was das konkret sein soll, das müssen die Nato-Staaten noch entscheiden.

Die Nato will mit Russland zusammenarbeiten, am liebsten wäre ihr eine Kooperation auch beim Raketenabwehrschirm. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Sicher eher eine Zweckgemeinschaft als eine Liebesheirat. Aber ich hoffe, dass solch eine Zusammenarbeit Zukunft hat. Wir müssen Russland, das militärisch, von den Atomwaffen abgesehen, keine Großmacht und der Nato unterlegen ist, helfen. Sicherheit kann es niemals gegen, sondern nur mit Russland geben.

Die Bundesregierung vermag derzeit nicht zu sagen, wie sie sich an dem geplanten Raketenschutzschirm beteiligt, geschweige denn, was das am Ende kosten wird.

Da würde ich niemandem einen Vorwurf machen wollen. Jetzt muss man erst mal abwarten, wie der Schirm aussehen wird, ob Russland sich beteiligt, ob Vorhandenes zusammengeführt werden kann oder ganz Neues geschaffen werden muss.

Halten Sie es trotz der vagen Perspektive für richtig, sich so eindeutig wie geschehen für das System auszusprechen?

Ja. Ich habe das frühere Zögern des Auswärtigen Amtes nie verstanden. Für mich ist es nach wie vor die erste Pflicht einer Regierung, das Menschenmögliche zum Schutz der Bevölkerung und des Staatsgebietes zu tun. Dass es Raketen auf der Welt gibt, dass deren Weiterverbreitung fortschreitet, dass die irgendwann auch Deutschland erreichen können, pfeifen doch die Spatzen von den Dächern. Sollten wir Opfer eines Angriffs werden, kann man hinterher doch nicht sagen, sorry, wir haben uns geirrt und bilden jetzt erst mal, typisch deutsche Reaktion, einen Untersuchungsausschuss. Das ist unverantwortlich und billig.

Zu den von Nato-Generalsekretär Rasmussen ausgemachten Gefahren gehören Angriffe auf Energieversorgung und Handelswege – in Deutschland ein heikles Thema.

Einige der Reaktionen in Deutschland kann ich nur als intellektuell erbärmlich bezeichnen. Wenn man dem Verteidigungsminister unterstellt, er wolle einen Wirtschaftskrieg führen, weil er notfalls die Bundeswehr zur Sicherung von Handelswegen heranziehen will, dann grenzt das an Dummheit. Dass unsere Sicherheit beeinträchtigt ist, wenn es nicht mehr gelingt, die Freiheit der Handelswege für ein ex- und importabhängiges Land wie Deutschland zu gewährleisten, dürfte eigentlich einleuchten. Das hat Helmut Schmidt schon 1973 gesagt, und das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Man muss im Einzelfall entscheiden, mit welchen Mitteln man vorgeht.

Kein Blut für Öl also?

Wenn wir erkennen können, dass unsere Betriebsstoff-, Gas oder Flüssiggaslager in die Reichweite von Raketen kommen, dann ist es doch legitim, eine Flug- oder Raketenabwehr einzuplanen, um diese Anlagen reaktiv gegen Angriffe zu schützen. Wenn Gastanker über die Weltmeere fahren und zunehmend von Piraten und Terroristen bedroht werden, muss man überlegen, mit welchen Mitteln, polizeilichen oder militärischen, man die Verbindungswege schützt. Darüber muss man schon nachdenken dürfen. Die Welt ist leider nicht so, wie man sie sich in Deutschland wünscht.

Ein Wort zur Rolle der Atomwaffen ...

In meinen Augen dürfen Atomwaffen künftig nur die Aufgabe haben, den Einsatz von Atomwaffen durch andere zu verhindern.

General a. D. Klaus Naumann war Generalinspekteur von 1991 bis 1996 und Vorsitzender des Nato-Militärausschusses von 1996 bis 1999. Mit Naumann sprach Michael Schmidt.

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