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Politik: General Erich von Manstein: Kein Mann des Widerstands - eine Biografie

Der "Wüstenfuchs" Erwin Rommel war und ist noch immer populärer. Fragt man aber noch lebende deutsche Generalstabsoffiziere des Zweiten Weltkrieges und Militärhistoriker nach dem damals fähigsten und angesehensten Heerführer, dann wird immer wieder ein anderer Name genannt: Generalfeldmarschall Erich von Lewinski, genannt von Manstein.

Der "Wüstenfuchs" Erwin Rommel war und ist noch immer populärer. Fragt man aber noch lebende deutsche Generalstabsoffiziere des Zweiten Weltkrieges und Militärhistoriker nach dem damals fähigsten und angesehensten Heerführer, dann wird immer wieder ein anderer Name genannt: Generalfeldmarschall Erich von Lewinski, genannt von Manstein. Auf ihn geht der legendäre "Sichelschnitt"-Plan zurück, der im Sommer 1940 zum Schlüssel für den Sieg über den deutschen "Angstgegner" Frankreich wurde. Und er war es, dem es im Winter 1942/43 gelang, die drohende Ausweitung der Katastrophe von Stalingrad zum Zusammenbruch des gesamten deutschen Südflügels auf dem sowjetischen Kriegsschauplatz doch noch abzuwenden.

Trotzdem gibt es zu Erwin Rommel eine ganze Reihe, teilweise auch aus fachwissenschaftlicher Sicht durchaus brauchbarerer Biografien, zu Manstein hingegen keine einzige. Das liegt auch daran, dass wesentliche Teile des Manstein-Nachlasses sich noch immer im Privatbesitz der Familie befinden und für die Forschung faktisch unzugänglich sind. Zudem wurde der Feldmarschall schon während des Krieges (und danach) zum Politikum: Er war ab 1943 bestrebt gewesen, unter einem "Hindenburg" Hitler gewissermaßen zum "Ludendorf" des Zweiten Weltkrieges aufzusteigen, hatte sich dem dringenden Werben des deutschen Widerstandes immer wieder entzogen und wurde in den fünfziger Jahren als Gutachter beim Aufbau der Bundeswehr hinzugezogen. Und er verfocht bis zu seinem Tode die Auffassung, die Wehrmacht habe mit den Massenmorden an den Juden und anderen Zivilisten in den besetzten Gebieten der Sowjetunion nicht das geringste zu tun gehabt.

Marcel Stein, Jahrgang 1921, von Haus aus Volkswirt und Jurist, hat nicht den Anspruch, eine Manstein-Biografie verfasst zu haben. Eher möchte er seine Arbeit als eine Art Porträtskizze des Soldaten und des Menschen Manstein verstanden wissen. Er schöpft dabei freilich weder das zugängliche Quellenmaterial noch die Manstein betreffende Literatur auch nur annähernd umfassend aus. Bei der Lektüre hat man schnell den Eindruck, Stein ziehe nur die Quellen und diejenige Literatur heran, die zur Stützung seiner vorgefasst anmutenden Sichtweise geeignet sind.

Spitzfindig

Beispielsweise verficht er hartnäckig die etwas spitzfindig wirkende Auffassung, Manstein sei während des Krieges gar nicht der primus inter pares der deutschen Generalfeldmarschälle gewesen, sondern habe nur zu den primi inter pares gezählt. Wirklich originell ist Stein am ehesten, wenn es um Mansteins Verwicklung in die Massenmorde der Einsatzgruppe D auf der Krim 1941/42 geht. Hier wird differenzierter als bisher offengelegt, was und wann Manstein von diesen Verbrechen in seinem Verantwortungsbereich erfahren, gewusst und teilweise auch mit getragen hat.

Stein erklärt die Haltung seines Protagonisten viel zu wenig. Dazu hätte er dessen Rahmenbedingungen weitaus stärker mit berücksichtigen müssen. Er sieht den Schlüssel aber vor allem in der charakterlichen Disposition Mansteins. Damit steht er, zurückhaltend ausgedrückt, nicht eben in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Standards moderner historischer Forschung. Stein liefert zwar eine Reihe bedenkenswerter und menschlich oft beeindruckend fairer Einschätzungen, versteht diese aber nicht zu einem überzeugenden Gesamtbild zusammenzufügen.

Enrico Syring

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