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Politik: General Joseph Ralston - erprobt als Kämpfer, Diplomat und Politiker

Er hat etliche Top-Positionen im amerikanischen Militär ausgefüllt und vor zwei Jahren das Sommerloch. Für Letzteres wurde er bekannt.

Er hat etliche Top-Positionen im amerikanischen Militär ausgefüllt und vor zwei Jahren das Sommerloch. Für Letzteres wurde er bekannt. Für Ersteres ist er nun der Nachfolge-Kandidat für Wesley Clark, den im April oder Mai 2000 etwas vorzeitig ausscheidenden Nato-Oberkommandierenden.

Luftwaffen-General Joseph Ralston war vor zwei Jahren der Mann, der eigentlich Generalstabschef werden sollte. Daraus wurde nichts, weil Ralston einräumen musste, dass er Anfang der 80er Jahre, während er von seiner Frau getrennt gelebt hatte, Ehebruch beging. Ehebruch ist im US-Militär ein Straftatbestand. So wurde Ralston eben Vize-Generalstabschef. Das Problem dabei: Fast gleichzeitig wurden andere Generäle und niedrigere Offiziere wegen desselben "Verbrechens" gefeuert.

Der 55jährige Ralston ist ein hochdekorierter Kampfbomberpilot, der sein Handwerk in Vietnam lernte. Seit 1965 ist der Harvard-Absolvent bei der Luftwaffe. 147 Kampfeinsätze flog er in Indochina. Als Vize-Generalstabschef hatte er viel mit filigranen diplomatischen Missionen zu tun. Eine der heikelsten aus den vergangenen Monaten dürfte der Besuch beim chinesischen US-Botschafter gewesen sein - in derselben Nacht, als die Nato Chinas Belgrader Botschaft zerstörte.

Seine Vorgesetzten hat vor allem die Art und Weise überzeugt, wie Ralston den Schritt von der Luftwaffe in den Generalstab geschafft hat. Ralston selbst meint im Rückblick: "An dem Tag, an dem ich in den Generalstab kam, habe ich aufgehört, in Luftwaffen-Kategorien zu denken. Ich strenge mich sehr an, mich aus Angelegenheiten der Luftwaffe herauszuhalten. Jetzt geht es darum, im breiteren Kontext der militärischen Erfordernisse unserer Nation zu operieren." Konkret war Ralston mit der Überprüfung der Theorie beauftragt, wonach die USA zwei Regionalkriege gleichzeitig zu führen in der Lage sein müssen. Als Stratege ist Ralston konservativ. Er singt keine Loblieder auf hypermoderne Militärtechnik und hat sich gegen die Bewaffnung unbemannter Flugzeuge ausgesprochen. Die sieht er lieber in konventionelle Konzepte eingegliedert.

In Washington sind sich alle einig, dass Ralston mitbringt, was man in Brüssel braucht. "Ralston wird sehr gut sein", lobte vorab die Abgeordnete Tillie Fowler, die im Verteidigungsausschuss des Repräsentantenhauses sitzt. Der US-Senat muss Ralston bestätigen. Dass dies klappen dürfte, steht nach den lobenden Worten des zuständigen Ausschuss-Chefs John Warner nahezu fest. Warner begrüßte die Nominierung und nannte Ralston "auf jeden Fall den richtigen Mann". Im Februar 2000 läuft Ralstons gegenwärtige Amtszeit im Generalstab aus. Wenn dann innerhalb von 60 Tagen kein neues Kommando für ihn gefunden würde, wollte er sich in Alaska als Pensionär niederlassen. Im Pentagon heißt es, der Top-Job bei der Nato sei das einzige Angebot, das Ralston bei der Fahnenstange halten könne. Verteidigungsminister Cohen ließ seinen Freund als "erprobten Kämpfer, erprobten Diplomaten und erprobten Politiker" loben.

Ralston selbst hatte, als er Chef des Luftwaffenkommandos in Langley im Bundesstaat Virginia gewesen war, einen Generalleutnant wegen Ehebruchs gefeuert. Vor zwei Jahren kommentierte die "New York Times": "Das Pentagon ist bereit, General Ralston zu vergeben, weil er den Verteidigungsminister und den Generalstabschef zu seinen Freunden zählen kann. Ein solche bevorzugte Behandlung ist inakzeptabel." Jetzt, wo Ralston einen noch höheren Posten bekommen soll, herrscht in den US-Medien auffälliges Schweigen.

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