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Kein Blickkontakt und dennoch weiß SPD-Chef Gabriel (l.), auf wen er zeigen muss. Kanzlerin Merkel erträgt es mit stoischer Ruhe.

© dpa

Generaldebatte: Gabriel: Merkel spielt in Euro-Krise mit dem Feuer

Traditionell nutzt die Opposition die Aussprache zum Kanzleretat zur Generalabrechnung. Kanzlerin Merkel verteidigt ihre Euro-Strategie - und SPD-Chef Gabriel erklärt den Zusammenhang von Schrauben und Mühlsteinen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Ablehnung gemeinsamer Staatsanleihen der Euro-Länder als Mittel zur Bekämpfung der Schuldenkrise bekräftigt. Sie halte es für außerordentlich bekümmernd und unpassend, dass die EU-Kommission den Fokus jetzt auf derartige Eurobonds richte, sagte Merkel in der Generalaussprache über den Haushalt 2012 am Mittwoch im Bundestag.

Brüssel erwecke dadurch den Eindruck, durch Vergemeinschaftung der Schulden könne man aus den strukturellen Mängeln der Währungsunion herauskommen. "Genau das wird nicht klappen." EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will an diesem Mittwoch in Brüssel erste Ideen für gemeinschaftliche Staatsanleihen vorstellen.

Die Kanzlerin unterstrich ihr Ziel, über begrenzte Änderungen der EU-Verträge eine bessere Überwachung der Euro-Stabilitätsregeln zu erreichen. Die vereinbarten Maßnahmen zur Banken-Rekapitalisierung und zur Verstärkung des Rettungsschirms EFSF müssten zudem rasch konkret umgesetzt werden.

Der nächsten Milliarden-Auszahlung an Griechenland will Merkel erst dann gewähren, wenn alle Parteien der neuen Athener Regierung den Sanierungsplan unterzeichnet haben. Der vereinbarte Schuldenschnitt für Griechenland sei richtig gewesen. Allerdings müsse man auch feststellen, dass ein solcher Schritt Nebenwirkungen haben könne.

Griechenland sei ein Ausnahmefall, dessen Verschuldung sei "sehr, sehr hoch", sagte Merkel. Griechenland habe keine ausreichende Schuldentragfähigkeit. Weitere Verunsicherung habe der Ruf nach einem Referendum hervorgerufen.

Die Eurogruppe will am kommenden Dienstag über die Freigabe der von Griechenland dringend benötigten nächsten Hilfszahlung in Höhe von acht Milliarden Euro entscheiden. Am Montag hatte der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, erneut die Forderung nach einer schriftlichen Erklärung abgelehnt.

Die Opposition im Bundestag betrachtet die Lage und die Arbeit der deutschen Regierung naturgemäß anders. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel in der Debatte hochriskante Maßnahmen gegen die Schuldenkrise vor. "Sie spielen mit dem Feuer", sagte Gabriel. Merkel zwinge die Schuldenstaaten der Euro-Zone in einen Zweifrontenkrieg. Auf der einen Seite verlange Merkel eine rigide Sparpolitik. Auf der anderen Seite verhindere sie, dass sich diese Staaten zu fairen Zinsen Kredite besorgen könnten. Die Zinsschraube und die Schuldenschraube wirkten aber wie Mühlsteine. "Sie müssen ihre Politik ändern", forderte der SPD-Chef die Kanzlerin auf.

Gabriel hielt der Kanzlerin auch vor, gemeinsame europäische Anleihen zu verhindern, obwohl diese Eurobonds durch die Hintertür bereits eingeführt worden seien. Beleg dafür seien die Aufkäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Merkel zwinge die EZB dazu, diese Staatsanleihen aufzukaufen. Damit aber sei auch die Transferunion geschaffen, die Merkel habe verhindern wollen.

Nötig zur Bekämpfung der Schuldenkrise ist aus Gabriels Sicht auch ein Investitionsprogramm, damit die Schuldenstaaten wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen.

Dies solle unter anderem durch eine Finanzmarkt-Transaktionssteuer finanziert werden. Diese könnte zunächst in der Euro-Zone eingeführt werden, aber auch dagegen wehre sich die Kanzlerin.

Merkel zwinge die Staaten zu einer Sparpolitik, die sie selber für Deutschland ablehne, sagte Gabriel. Anstatt die Staatsschulden abzubauen, wie sie es von anderen Staaten verlange, habe sie Steuersenkungen beschlossen. Diese dienten nur dazu, die Koalitionspartner FDP und CSU zu beruhigen. Die Binnenkonjunktur werde damit entgegen den Aussagen der Kanzlerin nicht angeschoben, da damit zu rechnen sei, das die Kommunen ihre Gebühren erhöhen würden. Die Kommunen seien wegen geringerer Einnahmen infolge der Steuersenkungen dazu gezwungen.

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Kanzlerin Merkel gedenkt noch einmal der Opfer der rechtsextremistischen Morde.
Kanzlerin Merkel gedenkt noch einmal der Opfer der rechtsextremistischen Morde.

© dapd

"Was die Ermittler ans Tageslicht bringen, beunruhigt mich zutiefst"

Zu Beginn ihrer Rede war die Kanzlerin noch einmal auf die rechtsextremistische Mordserie eingegangen. Sie verlas im Plenum die Namen der Opfer. "Wir nehmen die Gefahren des Rechtsextremismus sehr ernst. Aber wir sollten uns alle den Vorwurf, auf irgendeinem Auge blind zu sein, ersparen", sagte Merkel und forderte die demokratischen Parteien zum Zusammenhalt auf. "Wir sind entsetzt über das Maß an Hass und Fremdenfeindlichkeit, das hier zum Ausdruck kommt", sagte die Regierungschefin. Ausdrücklich begrüßte die Kanzlerin, dass die Opfer aus dem Fonds des Justizministeriums entschädigt werden sollten.

Merkel betonte, die Existenz der rechtsextremistischen Zelle, die mehr als ein Jahrzehnt im Untergrund agiert habe, sei ohne Beispiel. "Was die Ermittler, die mit ihrer Arbeit erst am Anfang sind, an Perversion im Denken und Handeln, an Menschenfeindlichkeit und Verachtung aus einem verfestigten rechtsextremen Milieu ans Tageslicht bringen, beunruhigt nicht nur mich zutiefst." Die Vorfälle schockierten alle Bürger und seien eine Gefahr für das Ansehen Deutschlands.

Als Konsequenz würden alle rechtsstaatlichen Mittel geprüft. Dazu gehöre auch die schwierige Frage von Parteiverboten. Die Taten seien nicht weniger als ein Angriff auf das demokratische Gemeinwesen. Der Bundestag habe mit seiner Abstimmung am Dienstag gezeigt, dass die Politik entschlossen das tolerante und menschliche Zusammenleben gegen menschenverachtende Ideologien verteidigen werde. (dpa/rtr)

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