zum Hauptinhalt

Politik: Generalstreik gegen den Terror

Nach den Anschlägen in Bangladesch verlangen die Menschen, dass der Islamismus bekämpft wird

Drei Tage nach der Anschlagsserie in Bangladesch hat am Samstag ein Generalstreik das öffentliche Leben in Teilen des Landes lahm gelegt. In der Hauptstadt Dhaka waren Büros, Geschäfte und Schulen geschlossen. Stattdessen versammelten sich die Menschen zu Demonstrationszügen auf den Straßen. Dabei wurden rund 50 Menschen verletzt. Zu dem Ausstand hatte die Opposition aus Protest gegen die Regierung aufgerufen, die sie beschuldigt, nicht energisch genug gegen Extremisten im Land vorzugehen, die für die Anschlagserie verantwortlich gemacht werden. Dabei waren am Mittwoch fast zeitgleich mindestens 200 kleiner Sprengsätze im ganzen Land explodiert. Ziele waren Gerichte, Behörden, Redaktionen und andere Symbole des öffentlichen Lebens. Zwei Menschen starben, mehr als 100 wurden verletzt.

Die Regierung hat lange Zeit bestritten, dass islamischer Extremismus eine Gefahr darstellt. Die sorgfältig vorbereitete Attacke zielte offenbar nicht darauf, größeren Schaden anzurichten. Die Botschaft: Dies ist das Werk eines landesweiten Netzwerkes, nicht einer lokalen Splittergruppe. An vielen Tatorten wurden Flugblätter der radikalislamischen Organisation Jamaat-ul-Mudschaheddin – Gruppe der Heiligen Krieger – gefunden. Darin droht sie weitere Attacken an, wenn die Regierung nicht die Scharia, das islamische Recht, einführe. Weiter hieß es: „Bush und Blair seien gewarnt: Verlasst islamische Länder.“

Zwar gibt es Zweifel, ob Jamaat-ul-Mudschaheddin fähig ist, eine derartige Aktion auszuführen. Doch die Anschläge nähren die Sorge, dass in Bangladesch die Gewaltbereitschaft islamistischer Gruppen wächst und ein neuer Fundamentalismus erstarkt. Die Regierung scheint diese Gefahr inzwischen zumindest zu sehen. Bereits Anfang des Jahres hatte sie Jamaat-ul-Mudschaheddin und eine andere islamische Gruppierung verboten.

Bisher hat der Westen sein Augenmerk vor allem auf Pakistan gerichtet, das als Zufluchtsort von Al Qaida, Taliban und anderen Extremisten gilt. In Bangladesch leben 140 Millionen Menschen, 90 Prozent davon sind Muslime. Obwohl geografisch durch Indien und 2000 Kilometer getrennt, bildeten die beiden muslimischen Länder nach der Unabhängigkeit von den Briten 1947 zunächst einen Staat. 1971 sagte sich die Provinz „Ost-Pakistan“ allerdings von Pakistan los und wurde als Bangladesch ein unabhängiger Staat. Das Land sieht sich selbst als säkularen, moderaten Staat. Neuerdings scheinen politische islamische Bewegungen jedoch wachsenden Zuspruch zu finden. Seit den Wahlen 2001 sitzen erstmals seit der Unabhängigkeit des Landes zwei konservative, manche Experten sagen fundamentalistische, islamische Parteien als Juniorpartner der führenden Bangladesh Nationalist Party (BNP) in der Regierung. Beiden wird immer wieder vorgeworfen, Kontakte zu Extremisten zu unterhalten.

Zugleich ist die Zahl der Religionsschulen massiv gestiegen. 1970 waren 1500 registriert, heute sind es fast 8000. Noch viel mehr unterrichten illegal. Ähnlich wie in Pakistan werden die Religionsschulen verdächtigt, Extremismus zu schüren. Dies tut zwar dem Gros sicherlich Unrecht, denn ihnen ist zu verdanken, dass viele junge Menschen überhaupt eine Schulbildung erhalten. Doch es ist nicht auszuschließen, dass einige Schulen den Unterricht nutzen, radikales Gedankengut zu verbreiten.

Die Masse der Bevölkerung dürfte nicht mit dem Terror sympathisieren. Doch ein Nährboden für Extremismus ist da: Armut, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Bangladesch ist eines der am dichtesten bevölkerten und ärmsten Länder der Welt. Die Hälfte der Menschen lebt von weniger als einem Dollar am Tag, fast jeder Dritte ist ohne Job.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false