zum Hauptinhalt

Politik: Genforschung: Senatoren schreiben an Bush - Stammzellenforschung fördern

Jeden Abend tritt für eine halbe Minute die elfjährige Samantha im amerikanischen Fernsehen auf. Samantha leidet unter Diabetes.

Jeden Abend tritt für eine halbe Minute die elfjährige Samantha im amerikanischen Fernsehen auf. Samantha leidet unter Diabetes. Das ist eine jener Krankheiten, von denen Mediziner glauben, dass sie sich mit Hilfe der Erforschung embryonaler Stammzellen (ES) besser behandeln lassen. Die Begleitstimme im Fernsehspot fordert alle Zuschauer auf, im Weißen Haus anzurufen. "Sagen Sie Präsident George W. Bush, dass er die Stammzellen-Forschung unterstützen soll." Die Telefonnumer wird eingeblendet.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik Der Streit um die ES-Forschung wird in den USA äußerst mediengerecht ausgetragen. Patientengruppen treten im Kongress auf, katholische Pfarrer wettern von der Kanzel, eine wachsende Zahl Prominenter - darunter die Expräsidentengattin Nancy Reagan, der an Parkinson erkrankte Schauspieler Michael J. Fox und dessen querschnittsgelähmter Kollege Christopher Reeve - drängt Bush, sich für die lebensrettenden Therapien einzusetzen. In Amerika, wo das Bekenntnis zu Gott ein Kernbestand der politischen Kultur ist, scheint das Thema wie geschaffen, um die Menschen moralisch zu spalten. Sollen sie sich dem Urteil der katholischen Bischofskonferenz anschließen, die die ES-Forschung als Mord verdammt, weil dafür Embryonen zerstört werden? Oder überzeugt sie die im Februar von 80 Nobelpreisträgern unterzeichnete Petition an Bush, in der die ES-Forschung gewissermaßen als Gottesgeschenk gefeiert wird, weil sie die Hoffnung auf Heilung tödlicher Krankheiten mit sich bringt?

Bemerkenswert ist, dass in dieser religiös aufgeladenen Atmosphäre die Befürworter der ES-Forschung inzwischen den Ton angeben. Ihr Chor wird täglich lauter. Zwei Drittel aller Amerikaner sprechen sich inzwischen für diese Forschung aus, selbst unter Katholiken sind die Gegner in der Minderheit. Nun forderte auch die Mehrheit der amerikanischen Senatoren parteiübergreifend in zwei Briefen an Bush, die ES-Forschung mit Steuergeldern zu unterstützen. Einige Senatoren gehen noch weiter. Sie wollen, dass Experimente, die direkt am Embryo stattfinden, vom Staat gefördert werden. Die Briefe wurden von 61 der 120 Senatoren unterzeichnet. Man schätzt jedoch, dass insgesamt etwa 75 Senatoren die Ziele der ES-Forschung teilen. Das würde ausreichen, um selbst ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden und ein mögliches Veto des Präsidenten zu überstimmen.

In Amerika kommt dieser Trend einer Sensation gleich. Hier gehen 40 Prozent mindestens einmal pro Woche in eine Kirche, Synagoge oder Moschee. 95 Prozent der Amerikaner bezeichnen sich als religiös, 85 Prozent sind Christen, mit 60 Millionen Mitgliedern bilden die Katholiken die größte Einzelkirche. So brütet Bush seit vielen Wochen, wie er sich entscheiden soll. Denn er will die Minderheit der Moralisten nicht verprellen. Die Mittel für die ES-Forschung, von Bill Clinton Ende vergangenen Jahres genehmigt, hatte Bush eingefroren. Urspünglich hieß es, er wolle spätestens im Juli seine Entscheidung bekannt geben. Inzwischen hat Vizepräsident Dick Cheney angedeutet, es werde wohl eher Ende August. Man habe es schließlich mit "tiefen, tiefen und bedeutenden ethischen Problemen zu tun, die die Zukunft der menschlichen Rasse ebenso berühren wie die Würde des menschlichen Lebens".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false