zum Hauptinhalt

Politik: Genforschung: Stammzellen - das Parlament entscheidet

Die rot-grüne Koalition hat den internen Konflikt über den Import von humanen embryonalen Stammzellen (ES) nach Deutschland vorerst entschärft. SPD und Grüne einigten sich am Montagabend darauf, den von der Union geforderten Importstopp abzulehnen.

Die rot-grüne Koalition hat den internen Konflikt über den Import von humanen embryonalen Stammzellen (ES) nach Deutschland vorerst entschärft. SPD und Grüne einigten sich am Montagabend darauf, den von der Union geforderten Importstopp abzulehnen. Stattdessen appellierten sie an alle deutschen Forscher, einer baldigen Entscheidung im Bundestag "nicht durch Schaffung von vollendeten Tatsachen vorzugreifen". Unterdessen vertagte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am Dienstag ihre Entscheidung über das Projekt des Bonner Forschers Oliver Brüstle, der humane ES-Zellen aus Israel importieren will.

Zum Thema Online Spezial: Die Debatte um die Gentechnik In der Vereinbarung zwischen SPD und Grünen heißt es, bevor sich der Bundestag mit der Frage der Forschung an embryonalen Stammzellen befasse, sollten erst der Nationale Ethikrat und die zuständige Enquete-Kommission des Bundestags ihre Stellungnahme abgeben. Allerdings solle sich das Parlament noch in diesem Jahr mit der Frage befassen. Intern rechnet man mit einer Entscheidung im Herbst. Gen-Expertin Andrea Fischer (Grüne) schlug im Internetmagazin "Spiegel Online" den Kompromiss vor, Importe von Zell-Linien, die aus Embryonen gewonnen wurden, grundsätzlich einer Melde- und Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Damit rückte sie von ihrer bisherigen Haltung, die Forschung zu verbieten ab. Unions-Fraktionsvize Maria Böhmer (CDU) kritisierte die ablehnende Haltung der rot-grünen Koalition zum Moratoriumsantrag ihrer Partei als "nicht überzeugend". Fraktionsgeschäftsführer Hans-Peter Repnik (CDU) sprach von einem "fahrlässigen Verhalten des Gesetzgebers".

"Die DFG-Entscheidung ist natürlich eine traurige Situation für uns", sagte Oliver Brüstle dem Tagesspiegel, "denn jetzt werden wir den Anschluss an die Forschung verlieren." Aber sie sei ja zu erwarten gewesen. Dass jedoch die beiden Unikliniken in Lübeck und Köln, wie am Montag bekannt geworden war, ohne Abstimmung mit der DFG humane embryonale Stammzellen eingeführt haben, kam für den Forscher sehr überraschend - zumal über eine Kooperation zwischen Bonner und Kölner Forschern nachgedacht worden war. Auch an einer Stammzellen-Lieferung aus Israel wollten sich die Kölner beteiligen, sagte Brüstle, wenn die DFG endlich über den Antrag entschieden habe. Dem sind die Kölner nun zuvor gekommen. "Bis vor drei Tagen bin ich noch davon ausgegangen, dass es in Deutschland keine menschlichen embryonalen Stammzellen gibt", sagte Brüstle, "jetzt frage ich mich natürlich, was machen die privaten Firmen, die ohne öffentliche Mittel auskommen?" Im Oktober vergangenen Jahres hatten der Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Uni Köln, Jürgen Hescheler, und der Mediziner Wolfgang Franz von der Uniklinik Lübeck Stammzellen über die US-Firma WiCell bestellt. Die Lieferungen im Februar bestanden jedoch bis auf eine Lübecker Probe nur aus "Zelltrümmern", die zur Forschung nicht taugten. Die Lübecker reklamierten ihre Probe und bekamen kürzlich eine Nachlieferung, sagte Direktor Hugo Katus. Wolfgang Franz war jedoch mit seinem ganzen Team und der einen heilen Probe an das Uniklinikum München gewechselt. Hescheler will, wie er dem Tagesspiegel sagte, mit einer Reklamation warten, bis die Situation klarer ist.

Markus Feldenkirchen, Kerstin Kohlenberg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false