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Politik: Genossen auf der Couch

Sigmar Gabriel will den gemäßigten Flügel der Linkspartei in die SPD holen – die Umworbenen lächeln müde

Von Matthias Meisner

Berlin - Es ist, als wollte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Geschichte noch einmal neu schreiben. Jene Geschichte, die am 7. Oktober 1989 begann, als ein paar Männer in einem Pfarrhaus in Schwante die Sozialdemokratische Partei (SDP) gründeten – und dann rasch festlegten, mit alten Genossen aus der SED bloß nichts zu tun haben zu wollen. „Klein, aber fein sauber“, erinnerte sich der frühere sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reinhard Höppner kürzlich in einem Büchlein über das Verhältnis von SPD und Linken an die damals vorherrschende Devise seiner Ost-Genossen. Er fügte hinzu: „Ob es machtpolitisch klug war, muss man bezweifeln.“

Jetzt aber setzt sich Gabriel zusammen mit dem Linken-Reformer Dietmar Bartsch, geschasster Bundesgeschäftsführer und Vize-Fraktionschef, auf eine Couch. Die beiden sind per Du, treffen sich öfter, aber diesmal stellen sie sich gemeinsam einem Interview des „Stern“. Die SPD-Botschaft an die „frustrierten Reformer“ der Linken erscheint in fetten Lettern: „Kommt zu uns, Genossen!“ So ganz anders also als kurz nach der Wende, als eine Gruppe von SED-Reformern um den damaligen Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer von der SPD abgewiesen wurde. Ganz anders auch als im Falle des ehemaligen SED-Funktionärs Manfred Uschner, in der DDR als politisch „unzuverlässig“ aus dem ZK-Apparat entfernt, von der SPD Mitte der 90er Jahre dennoch über Monate hingehalten: Der zuständige SPD-Kreisverband Berlin-Treptow hatte sich gesperrt, trotz des Votums von Egon Bahr, SPD-Vordenker für die Beendigung des Kalten Krieges. Erst im Bezirk Kreuzberg wurde der Aufnahmeantrag Uschners schließlich angenommen.

Linksfraktionschef Gregor Gysi erinnert sich gut an diese Fälle. Er sagt, dass es doch „Quatsch“ wäre zu glauben, die SPD könnte „wichtige Teile“ seiner Partei zum Wechsel bewegen. Ohnehin sei Gabriels Partei heute „nicht gerade attraktiv“, und „mindestens“ würden Abtrünnige vom Regen in die Traufe kommen. Dabei hat Gabriel seinen Wechsel-Kandidaten jede Menge Honig ums Maul geschmiert. Bartsch könne „von mir aus morgen“ kommen, erklärt er. Und den in den eigenen Reihen in die Kritik geratenen Linken-Chef Klaus Ernst nennt er einen „engagierten Gewerkschafter, der sich in die Linkspartei verirrt hat“.

Bartsch bleibt reserviert: „Um mich dorthin zu kriegen, müsste die Linke sich so entwickeln, dass sie nicht mehr meine Partei wäre.“ Und Ernst lästert nur über eine SPD, die versuche, ihre „dramatischen Mitgliederverluste“ auszugleichen. Die SPD-Strategie findet er falsch, wie er dem Tagesspiegel sagt: „Denn Sigmar Gabriel nützen wir weit mehr, wenn wir als eigenständige Partei links von der SPD agieren – damit ihm nicht der rechte Flügel das Fell über die Ohren zieht.“

Auch andere Linken-Politiker sind skeptisch. Der frühere Europaabgeordnete André Brie meint: „Da wird Gabriel schon den schwierigeren Weg gehen müssen, nämlich die Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien auf Bundesebene auf den Weg zu bringen.“ Gabriel, so Brie zum Tagesspiegel, habe nicht verstanden, dass gemäßigte Mitglieder der Linken um ihre eigene Partei kämpfen würden und „keine Sehnsucht nach der SPD“ hätten.

Dazu kommt: Die wenigen Übertritte haben auch keine Nachahmer ermuntert. Sylvia-Yvonne Kaufmann, die wie Brie im Jahr 2009 von den Linken nicht mehr als Kandidatin fürs Europaparlament aufgestellt worden war, schloss sich den Sozialdemokraten an. „Jetzt sitzt sie zu Hause“, sagt eine Vertraute. Dort knüpfe sie Kontakte zu europäischen Nichtregierungsorganisationen, doch sei „nirgendwo richtig angedockt“. Die Kaufmann-Freundin stellt dazu die Frage: „Was will die SPD auch bieten? Ein Gerangel um die Mandate. Das gibt es jetzt schon.“

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