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Politik: Genossen und Genießer

Von Werner van Bebber

So viel Vertrauen: Die Berliner SPD kommt zum Landesparteitag zusammen, will Hartz IV nach links korrigieren – und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ist nicht dabei. Eine Dienstreise führt ihn nach Helsinki, wo er versuchen will, die LeichtathletikWeltmeisterschaft 2009 für Berlin zu holen. Da gehört er hin, und er kann es sich leisten. Wowereit wird nicht zuhören, wenn seine Sozialdemokraten beschließen, mehr Geld für den zweiten Arbeitsmarkt auszugeben und jugendlichen Arbeitslosen ein Spezialförderprogramm anzubieten. Er wird sich nicht äußern müssen, wenn seine Partei Initiativen zur Erhöhung oder Erhebung von Steuern beschließt. Das hat für den Dienstreisenden Wowereit einen Vorteil: Wenn ihn die besserverdienenden Fernsehleute und Friseure, mit denen er sich gerne sehen lässt, nach der Nehmermanier seiner Genossen fragen sollten, kann er darüber hinweglächeln – er war nicht dabei.

Drei Gründe gibt es für Wowereits selbstbewusst-distanzierten Umgang mit der SPD. Der Erste heißt Michael Müller. Er ist Wowereits Müntefering. Er ist das organisatorische und gefühlsmäßige Kraftzentrum der Berliner SPD, er ist so jung und so loyal, dass Wowereit sich ganz auf ihn verlassen kann. Der zweite Grund liegt in der Sache selbst. Die Berliner Sozialdemokraten werden den Parteitag nutzen, um ein wenig Groll über Hartz IV und den ganzen damit verbundenen Ärger abzubauen. Noch nie sahen sie in Meinungsumfragen so schlecht aus wie im Sommer der Hartz-IV-Gegner. Sie werden viel und lange über ihr Verständnis von Gerechtigkeit debattieren, sie werden das mit so viel Inbrunst tun, dass sich Parteitagsgäste von der PDS sehr überflüssig fühlen werden.

Außerdem werden die Berliner Sozialdemokraten bei allen schönen Beschlüssen ahnen, dass ihre Arbeitsmarktpolitik des guten Gewissens an einer banalen Voraussetzung scheitern kann: am Geld. Schon viele haben Zweifel daran bekommen, dass Klaus Wowereit ein Mann mit harten Grundsätzen ist. Daran, dass er mit fast ideologischer Überzeugung sparen will, zweifelt kaum einer.

Womit der dritte Grund für den vertrauensvollen Abstand zwischen dem Regierenden und seiner Partei genannt ist. Der Grund heißt mit nur in Berlin verständlicher Neigung zur Niedlichkeit „Wowi“. Die SPD verdankt ihm längst nicht alles, worauf sie seit der Trennung von der CDU im Juni 2001 stolz ist, aber doch all das, was mit der Außenwirkung und dem Imagegewinn zusammenhängt. Peter Strieder mag der Sprengmeister der großen Koalition gewesen sein. Ohne den unverbrauchten Berliner Wowereit mit seinen nur engen Freunden bekannten Talenten beim Verhandeln und in der Performance auf allen Tanzböden und in vielen Fernsehprogrammen wären die Sozialdemokraten nicht da, wo sie sind: wieder vor der CDU bei einer Umfrage vom November, selbstbewusst am Regieren. Denn bislang hat ihnen jede Umfrage eines gezeigt: kein Berliner Politiker ist so populär wie Wowereit. Dass er sich mal etwas daneben benimmt, hat den Wowereit-Effekt bislang nur verstärkt. Die Stadt hat den Mann zu einer Zeit hervorgebracht, in dem sie zu einem neuen, vielleicht großen, eigenen Stil noch nicht gefunden hat – und das verkörpert Wowereit. Er bespielt dieses sich suchende, jugendliche Berlin. Auch wenn er nicht mehr der Jüngste ist, hat er bei Tag und Nacht Freude an der Stadt. Deshalb verzeihen ihm viele, das ihm politischer Ehrgeiz und ein unverwechselbarer Anspruch nichts bedeuten.

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