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Politik: Gentechnik: Der Kardinal und das Kanzleramt. Wie Gerhard Schröder fast der Nationale Ethikrat auseinandergefallen wäre

Perfektes Politik-Management hat meist etwas ödes, weil man nur die polierte Vorderseite sehen kann. Wo hingegen ordentlich dilettiert wird, da bieten sich erhellende Einblicke.

Perfektes Politik-Management hat meist etwas ödes, weil man nur die polierte Vorderseite sehen kann. Wo hingegen ordentlich dilettiert wird, da bieten sich erhellende Einblicke. Darum ist die Bildung des Nationalen Ethikrates so spannend.

Letzte Woche beispielsweise wäre dem Kanzleramt das ganze Gremium um ein Haar geplatzt. Das kam so: Schon vor Monaten hatte Abteilungsleiter Thiemann den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Lehmann, gebeten, eine Liste aus dem Kreis der katholischen Moraltheologen vorzulegen, die für den Ethikrat in Frage kämen. Dieser Bitte kam Lehmann nach, um dann bei Veröffentlichung der Berufenen festzustellen, wie viele seiner Leute das Kanzleramt auserwählt hatte: keinen.

Keiner, das erschien Lehmann etwas zu wenig, ja ihm stieg die Zornesröte ins Kardinalsgesicht. Zumal im Kreise der Bischöfe die Beteiligung der Kirche am Ethikrat ohnehin umstritten war. Deren Kritik hatte sich verstärkt, als das Kanzleramt nach der Absage des gentechnisch skeptischen Verfassungsrechtlers Wolfgang Böckenförde Horst Dreier berief. Der Staatsrechtler vertritt die in Deutschland randständige Position, dass Embryonen keine Menschenwürde zukommt. Kurzum: Lehmann war entschlossen, den einzigen verbliebenen Würdenträger, Bischof Fürst, aus dem Nationalen Ethikrat zurückzurufen. Das wiederum hätte auf evangelischer Seite Bischof Huber unter Druck gesetzt, ebenfalls den Rat zu verlassen. Damit wäre das Gremium dann zu einem offenkundigen Legitimationsapparat des Kanzlers geworden - also auch für ihn wertlos.

In dieser Situation entschloss sich das Kanzleramt, doch noch einen katholischen Moraltheologen von Lehmanns Liste zu berufen: Eberhard Schockenhoff aus Freiburg. Der wollte jedoch zunächst überhaupt nicht, weil er um seine Unabhängigkeit fürchtete und weil ihm die rüde und späte Einladungspraxis des Kanzleramtes aufstieß. Erst am Montag um die dritte Stunde schlug er, als gehorsamer Katholik vom Kardinal überzeugt, doch noch ein.

Damit scheint der Ethikrat erstmal gerettet zu sein, auch wenn von grüner Seite noch ein weiterer Verfassungsrechtler gefordert wird. Wenn jetzt die Mitglieder des Rates schriftlich eingeladen werden, wenn es dann womöglich einen Termin für die konstituierende Sitzung gibt, wenn am Ende gar die Mitglieder die Satzung bekommen, dann sieht die Sache fast aus, als wäre sie professionell gemanagt worden.

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