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Stammzellen

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Gentechnik: Keine gemeinsame Linie beim Stammzellengesetz

Der Ethikrat empfiehlt, das Stammzellengesetz zu lockern. Die Politik ist gespalten – quer durch alle Parteien.

Berlin - Es ist eine schwierige Frage, für einige entscheidet sie über Leben und Tod: Soll das Stammzellengesetz gelockert werden? Gerade hat sich der Nationale Ethikrat zu der umstrittenen Regelung geäußert – und sich mehrheitlich für eine Liberalisierung ausgesprochen. Nach der Sommerpause wird sich der Bundestag mit dem Thema befassen, und schon jetzt ist klar, dass es wieder hitzige Debatten geben wird. Denn auch nach der Empfehlung des Rates ist eine Gesetzesänderung keine beschlossene Sache. Allein das Votum zeigt, wie gespalten die Politik in diesem Punkt ist: Mit 14 zu zehn Stimmen fiel es relativ knapp aus.

Im Bundestag gehen die Linien quer durch alle politischen Lager. Ilse Aigner , forschungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kann selbst in der eigenen Fraktion kein einheitliches Meinungsbild ausmachen. „Das uneinheitliche Votum des Ethikrates spiegelt die Zerrissenheit wider, die auch das Parlament prägt“, so Aigner.

Die Brisanz des Themas liegt in den Details. 2002, auf dem Höhepunkt der Debatte, hatten sich die Parteien auf einen Minimalkonsens geeinigt: das Stammzellgesetz. Sein Zweck ist zu verhindern, dass von Deutschland aus Impulse zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen ausgehen. Da in vielen anderen Ländern die Gesetzeslage nicht so strikt ist, konnten dort bis zum heutigen Zeitpunkt rund 500 Stammzelllinien hergestellt werden. Diese stünden den deutschen Forschern eigentlich zur Verfügung. Wegen des Gesetzes von 2002 dürfen deutsche Forscher jedoch nur mit Stammzelllinien arbeiten, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Die Wissenschaftler beklagen, dass sie damit nur veraltete und verunreinigte Stammzellen nutzen können.

Probleme schafft auch die Rechtsunsicherheit durch die Strafandrohungen des Gesetzes. „Das Stammzellgesetz hat eine Verschärfung der Rechtslage bewirkt“, betont Professor Horst Dreier, Rechtsphilosoph an der Universität Würzburg und Mitglied des Nationalen Ethikrates. Vor seiner Einführung war es nicht strafbar, mit schon gewonnenen Zellen zu arbeiten, sondern nach dem Embryonenschutzgesetz nur, sie selbst zu gewinnen. Heute ist es möglich, dass ein Forscher sich bereits strafbar macht, wenn er sich an Forschungskooperationen mit dem Ausland beteiligt. Die Mehrheit des Rates fordert nun, die Strafandrohung abzuschaffen.

Größter Streitpunkt aber ist der Stichtag. Drei Entscheidungsvarianten gibt es, von denen keine ohne Widersprüche auskommt: Man kann den Stichtag beibehalten, man kann ihn verschieben oder man kann ganz darauf verzichten und die Entscheidung vom Einzellfall abhängig machen. Entscheidend sind zwei Fragen: Ab welchem Zeitpunkt der biologischen Entwicklung kann man von menschlichem Leben sprechen? Und: Wann ist diese Entwicklung so wenig fortgeschritten, dass Forschungsziele wichtiger sind ?

Bundesforschungsministerin Anette Schavan (CDU) hat sich für eine einmalige Verschiebung des Stichtages ausgesprochen. Auch innerhalb ihrer Partei mehren sich Stimmen für diese Lösung. Die Wertungen des Stammzellgesetzes würden nicht umgangen, sagt Ilse Aigner. „Der Bundestag müsste sich anders als bei einer Aufhebung des Stichtags mit der Frage immer wieder bewusst befassen.“

In dieser Erklärung klingt schon ein Gegenargument an. „Wenn wir den Stichtag jetzt verschieben, dann verlässt sich die Forschung darauf, dass wir das immer wieder tun“, erklärt Hubert Hüppe (CDU), einer der vehementesten Gegner einer Liberalisierung. Hüppe gibt zwar zu, dass sich auch innerhalb der Union die Meinungen hin zu einer Lockerung verschoben hätten. Aber: „Ich hoffe davon überzeugen zu können, dass die Alternativen woanders liegen.“ Gemeint ist die Forschung an adulten Stammzellen, die aus dem Gewebe erwachsener Wirbeltiere gewonnen werden. Bisherige Forschungsergebnisse sind vielversprechend. Doch da es um die Heilung schwerer Krankheiten geht, wollen sich die Wissenschaftler alle Optionen offen halten.

Auch der Vorschlag der liberalen Richtung ist nicht widerspruchsfrei. Danach würden Importe im Einzellfall nur gestattet, wenn die Herstellung der Stammzellen nicht durch deutsche Forscher veranlasst wurde. Das ist ethisch problematisch. Wenn man die Tötung von Embryonen in einem frühen Stadium als Unrecht ansieht, dann dürfte man daraus auch keinen Nutzen ziehen. Sonst muss man zugeben, dass Forschungszwecke in diesem Stadium vorgehen. Dann aber müssten auch die Verbote durch das Embryonenschutzgesetz neu diskutiert werden, was politisch kaum realisierbar erscheint. „Ich habe das Gefühl, dass manche glauben, dass das Embryonenschutzgesetz Überverfassungsrang hat“, sagt Dreier. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes ab.

Das Bundesverfassungsgericht wird der Politik bei diesen Fragen kaum weiterhelfen können. Nur eine Feststellung hat es in der Vergangenheit getroffen: dass die Menschenwürde des Embryos ab der Einpflanzung im Mutterleib gelte. Alles was davor liegt, ist eine reine Wertungsfrage und die ist Aufgabe der Politik. Zu erfüllen nach der Sommerpause.

Petra Viebig

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