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Politik: Georgien droht mit Austritt aus der GUS

Reaktion auf Russlands Einfuhrstopp für Wein / Auch Ukraine und Armenien wenden sich von Moskau ab

Kaum hatte Gennadij Onischtschenko, Russlands oberster Hygienearzt, der Ende März die Einfuhr moldawischer und georgischer Weine – und später auch von Mineralwasser – untersagte, gedroht, die Restposten in den Gully zu kippen, gingen georgische Studenten zum Gegenangriff über: Vor der Botschaft Russlands in Tiflis gossen sie russisches Bier und Wodka in eine mitgebrachte Kloschüssel.

Das Handelsembargo, bei dem Moskau angebliche Qualitätsmängel bei Wein und Wasser aus den Nachbarstaaten geltend machte, um sich für deren zunehmendes Streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu rächen, könnte für Russland zum Bumerang werden: Die USA drohten schon , Moskaus Beitritt zur Welthandelsorganisation zu blockieren. Gleichzeitig unternimmt Georgien erste praktische Schritte für den Austritt aus der UdSSR- Nachfolgeorganisation GUS.

Wein ist der wichtigste Devisenbringer Georgiens. Über 80 Prozent wurden bisher nach Russland exportiert. Mit dem Embargo, so Präsident Michail Saakaschwili, wolle Moskau in Georgien offenbar Unruhen auslösen und die Regierung stürzen. Der flüchtige ehemalige Geheimdienstchef der Republik, Igor Georgadse, hatte Ende April im russischen Staatsfernsehen sogar schon zum Regierungssturz in Georgien aufgerufen.

Für Präsident Saakaschwili war das Maß damit übervoll: Am 2. Mai gab er beim Parlament eine Studie zu Vor- und Nachteilen für den weiteren Verbleib in der GUS in Auftrag. Das einzig Positive, das Georgien zu erwarten hätte, wenn es in der GUS bliebe, wären weitere „Demütigungen und Beleidigungen“, stellte er zynisch fest. Was ihn ärgert: Als er gerade im Flugzeug saß und die abtrünnige Provinz Südossetien überflog, in der Separatisten die Wiedervereinigung mit der zu Russland gehörenden Nordhälfte anstreben, habe er eine SMS mit den Worten „Willkommen in Russland“ erhalten. Außerdem seien in Moskau georgische Sonntagsschulen und die georgische Kirche geschlossen worden.

Noch mehr ärgerte ihn, dass die Schwarzmeer-Provinz Abchasien, die sich 1992 von Georgien lossagte, in Moskau inzwischen mit hohen Beamten im russischen Außenministerium über den Beitritt zur GUS verhandelt. Ebenso Transnistrien, eine vorwiegend von Slawen bewohnte Region am linken Ufer des Dnestr, die sich 1992 von Moldawien lossagte. Obwohl von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zum Abzug verpflichtet, ist Russland dort weiter mit Truppen präsent. Abchasien und Transnistrien hoffen offenbar, an Stelle Georgiens und Moldawiens in die GUS aufgenommen zu werden – mit Rückendeckung Moskaus, das mit derartigen Verhandlungen eindeutig gegen die Statuten der Gemeinschaft verstößt. Die hatte sich bei ihrer Gründung 1991 darauf geeinigt, nur ehemalige Sowjetrepubliken aufzunehmen, nicht jedoch deren Spaltprodukte.

Jetzt gerät die russische Regierung zunehmend unter Druck. Neben Georgien erwägt auch die Ukraine einen Austritt aus der GUS. Seit der Kreml gegen die einstigen „Bruderrepubliken“ die energiepolitische Keule schwingt, ist auch das Verhältnis zum traditionell loyalen Armenien getrübt: Der armenische Parlamentschef Artur Bagdassarjan forderte vergangene Woche den Austritt aus der Organisation für Kollektive Sicherheit – dem GUS-Verteidigungsbündnis. Stattdessen will er jetzt mit der Nato über einen Beitritt verhandeln.

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