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Georgien: Hoch gepokert – und verloren

Vom Hoffnungsträger zum Buhmann innerhalb wenige Tage: Während Russland Georgiens Präsidenten Michail Saakaschwili verhöhnt, erfährt er seitens westlicher Staaten mehr Kritik als Unterstützung. Eines scheint klar: Der Kaukasuskonflikt hat dem Ansehen des georgischen Präsidenten schwer geschadet

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili fühlt sich im Konflikt mit Russland weitgehend alleingelassen. Der Westen rede doch immer von „Demokratie und Freiheit“, sagte Saakaschwili am Donnerstag geradezu beschwörend der „Washington Post“. „Wenn die Georgier angegriffen werden, müssen wir uns fragen: Auf wessen Seite steht der Westen, wenn er nicht auf unserer Seite steht?“ Der 40-jährige Präsident hat sich in der Kaukasuskrise in nur fünf Tagen einen Großteil der Sympathien auch im Westen verscherzt.

Dass die russische Seite Saakaschwili mit Häme überzieht, verwundert angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen und vorerst unvereinbar erscheinenden Interessengegensätze kaum. Der russische Botschafter in Berlin, Wladimir Kotenew, nennt den Rosenrevolutionär von Tiflis „größenwahnsinnig“ und bezeichnet ihn als „Schauspieler“. Die Russen machen auch deutlich, dass sie mit diesem Mann keinesfalls über eine politische Lösung verhandeln wollen, während sie andere Vertreter der georgischen Regierung wohl als Gesprächspartner akzeptieren würden.

Schlimmer als die krasse Ablehnung durch die Russen ist das mangelnde Einverständnis mit dem Westen. Saakaschwili habe hoch gepokert „und verloren“, sagt ein Mitglied aus der Entourage des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Dem kommt in diesen Wochen große Bedeutung zu, weil Frankreich bis zum Ende des Jahres die EU- Ratspräsidentschaft innehat. Auch Nick Grono von der International Crisis Group in Brüssel zeigt für Saakaschwili kaum Verständnis. Der georgische Präsident habe sich „verkalkuliert“, dadurch habe sich die „Lage drastisch verschlechtert“.

Auch in Tiflis muss Saakaschwili mit neuem Widerstand rechnen. Solange die russischen Panzer im Land seien, stehe die Bevölkerung vereint hinter dem Staatschef, sagt David Ussupaschwili von der oppositionellen Republikanischen Partei. Doch werde „der Tag kommen, an dem er sich verantworten muss“. Saakaschwili kennt den Widerstand im Inneren – und ist nicht glimpflich im Umgang mit politischen Gegnern. Zwar kam er selbst Ende 2003 bei der Rosenrevolution mit dem Flair eines Freiheitskämpfers ins Amt. Als jedoch die Opposition im vergangenen Winter hartnäckig gegen Saakaschwili protestierte, der seine Macht missbrauche und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößere, ließ er die Demonstrationen mit Knüppeln und Tränengas niederschlagen.

Für Saakaschwili, der in den USA studierte und mit einer Niederländerin verheiratet ist, bleibt die Verankerung seines Landes im Westen ein nicht hinterfragbares Ziel. In der Nato ist die Neigung zur Aufnahme Georgiens durch den Kaukasuskonflikt aber eher gesunken. Die Legitimität der Regierung in Tiflis ist für den Westen indes gesichert: Es sei „völlig inakzeptabel“, dass Russland hier den Hebel anzusetzen versuche, sagte Vizeregierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Zur Persona non grata soll Saakaschwili trotz der jüngsten Fehlschläge nicht werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sogar kommende Woche zu einem Treffen mit ihm nach Tiflis reisen – mit neuen Erkenntnissen aus Sotschi, wo sie am Freitag Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew trifft. Olga Nedbaeva (AFP)

Olga Nedbaeva (AFP)

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