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Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery.

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Politik: Geplanter Eingriff

Beim diesjährigen Treffen der Mediziner soll vieles anders werden, sagt der Kammerchef. Er verspricht eine echte Debatte über Systemfragen.

Berlin - Es ist sein erster Ärztetag als Präsident, und er soll gleich was ganz Besonderes sein. Eine „vom Stil her völlig neue Veranstaltung“ werde das 115. Medizinertreffen vom 22. bis 25. Mai in Nürnberg, kündigt Ärztekammerchef Frank Ulrich Montgomery an. Auf „die üblichen Rituale“ vergangener Jahrzehnte werde man ebenso verzichten wie auf politische Korrektheit. Stattdessen: Beschäftigung und Einmischung in Systemfragen, die weit übers Medizinische und Standespolitische hinausgehen. Und statt des gewohnten Leitantrags ein offener Disput mit den gesundheitspolitischen Störenfrieden aus CDU und SPD, Jens Spahn und Karl Lauterbach.

Mit den Fraktionssprechern wollen die 250 Delegierten „die Anforderungen an eine gesetzliche Krankenversicherung in der Zukunft“ samt deren Finanzierung diskutieren. Dabei dürfte es kontrovers zugehen. Mit seiner Kritik an der privaten Krankenversicherung und seinem Plädoyer für einen einheitlichen Versicherungsmarkt hat Spahn ein Unions-Tabu gebrochen. Und der SPD-Mann Lauterbach propagiert mit Grünen und Linkspartei den kompletten Systemwechsel zu einer Bürgerversicherung.

Die Position der Ärztekammer zu alldem macht Montgomery schon im Vorfeld klar: Man brauche keine gravierenden Änderungen. Der europaweit einzigartige Systemwettstreit zwischen gesetzlichen und privaten Versicherern funktioniere – und sei trotz mancher kritikwürdigen Entwicklung Garant für die hohe Versorgungsqualität in Deutschland. Ohne die Konkurrenz der Privaten etwa wäre das Leistungsspektrum der gesetzlichen Kassen und damit die Versorgung von 90 Prozent der Deutschen weit schlechter, behauptet der Ärztepräsident.

Als „erstaunlich“ bewertet Montgomery jedoch auch die Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie stehe derzeit „wesentlich besser“ da als „von uns vorhergesagt“, sagt er. Und auch der seinerzeit von ihm selber als „Missgeburt“ geschmähte Gesundheitsfonds funktioniere „wider allen Erwartens“. Bisher habe es ja noch vor jeder Bundestagswahl „Jammern, Heulen und Zähneklappern“ gegeben, so Montgomery. Diesmal leiste man sich den Luxus, darüber zu streiten, wie man die Überschüsse im Kassensystem am besten verwende. Er rate dazu, die fünf Milliarden Euro „erst mal zu behalten“. Sollte die Politik aber wie üblich auf die Idee kommen, ein paar Wahlgeschenke zu verteilen, habe die Ärztekammer durchaus Ideen. Erstens: die „unselige“, als Steuerungsmodell nicht funktionierende Praxisgebühr abschaffen. Zweitens: den Krankenhäusern das „Sonderopfer für die längst nicht mehr notleidende GKV“ sowie die sogenannten Mehrleistungsabschläge zu erlassen. Und drittens: wieder mehr Sonderleistungen der Praxisärzte zu erstatten.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will unterdessen Prämienausschüttungen finanziell gut gestellter Krankenkassen notfalls erzwingen. Notfalls müsse der Gesetzgeber handeln, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Darüber werde derzeit in der Koalition beraten. „So könnten Versicherte spätestens in 2013 profitieren.“

Beim diesjährigen Treffen der Mediziner dürfte auch die überfällige Reform der privaten Gebührenordnung zum Thema werden. Anders als von Montgomery dargestellt, ist die sogenannte Öffnungsklausel, mit der die Privatkassen Einfluss auf Behandlungsmengen, -qualität und -preise gewinnen wollen, in den Verhandlungen noch keineswegs vom Tisch. Beim Patientenrechtegesetz wehren sich die Mediziner gegen die von der Union geforderte „Stiftung für schnelle und unbürokratische Hilfe“ bei Ärztefehlern. Statt die Opfer „mit Almosen abzuspeisen“ solle man sich lieber darauf konzentrieren, den Rechtsweg zu beschleunigen, fordert der Ärztepräsident.

Und dann sind da noch die individuellen Gesundheitsleistungen (Igel), mit denen die Praxisärzte immer mehr Kasse machen und die auch die Politik auf den Plan gerufen haben. In weiten Bereichen sei ein „Igel-Eindämmungsgesetz“ durchaus zu befürworten, gibt er zu. Patienten müssten aufgeklärt werden, Behandlungsverträge unterzeichnen und ordentliche Rechnungen erhalten.

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