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Politik: Gerhard Schröder und der Fall Klimmt: Wenn der Parteichef den Kanzler untertan macht (Kommentar)

Öffentliche Verantwortung setzt ein Maß an Unabhängigkeit voraus, Entscheidungen trotz bestehender Abhängigkeiten zu fällen. Wer einen Minister beruft, wird in aller Regel Wert darauf legen, die außer Frage stehende Qualifikation als oberstes Kriterium für das öffentliche Amt zu betonen.

Öffentliche Verantwortung setzt ein Maß an Unabhängigkeit voraus, Entscheidungen trotz bestehender Abhängigkeiten zu fällen. Wer einen Minister beruft, wird in aller Regel Wert darauf legen, die außer Frage stehende Qualifikation als oberstes Kriterium für das öffentliche Amt zu betonen. Dem öffentlichen Begründungszwang vor dem großen Publikum, dem Souverän also, ausreichend nachzukommen, heißt, das allgemeine Interesse dem besonderen, das öffentliche dem parteipolitischen überzuordnen. Und das ist das Holz, aus dem Regierungen geschnitzt sein müssen.

So sollte es sein. Der abgewählte saarländische Ministerpräsident Klimmt hat in seinem politischen Werdegang bisher kaum den Eindruck hinterlassen, dem Thema Verkehrs- und Baupolitik große Bedeutung zuzuweisen. Ist Gerhard Schröders Entscheidung für den Mann dennoch eine, die in voller Anerkennung seiner öffentlichen Verantwortung und trotz anderer politischen Abhängigkeiten getroffen wurde? Das ist zweifelhaft.

In Klimmts Berufung wird öffentliche Verantwortung zu einer Schutzbehauptung, weil sie vom ausschließlich innerparteilichen Kalkül dieses Vorgangs ablenken will. Wir erleben einen Fall von Machtbereicherung, deren Ziel allein die parteipolitische Selbstbereicherung Schröders ist: Dem Parteifeind Lafontaine wird der Intimus abgekauft, Links und Rechts innerhalb der SPD sollen in der Regierung befriedet, und parteiinterne Gräben begradigt werden; mithin gibt der Kanzler Schröder ein dem Parteichef Schröder dienendes Partikularinteresse als ein dem Gemeinwohl dienendes aus. Das ist ein wilder Akt, der das Gemeinwohl demonstrativ missbraucht: ein Ministeramt für die Befried(ig)ung parteipolitischer Nöte.

Nur weil das Kriterium des materiellen Interesses fehlt, spricht man in solchen Fällen nicht von Korruption. Aber wo liegt der Unterschied zum Missbrauch öffentlichen Gutes, das ja keineswegs nur materiell definiert ist? Als der Brite Lord Acton formulierte: "Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut", spielte er nicht auf materielle Selbstbereicherung an, sondern auf die Dynamik, dass Macht automatisch dazu tendiert, ihren Spielraum auszudehnen. Sie ändert die Sitten.

Selbstverständlich: Schröder verstößt nicht gegen positives Recht. Umso deutlicher aber verstößt sein kaum noch verschleierter Egoismus gegen die guten Sitten der Regierungskunst. Zwar wird das Gemeininteresse, die Ressorts günstigstenfalls von bestqualifizierten, vielerlei Abhängigkeiten trotzenden Politikern betreuen zu lassen, mittlerweile regelmäßig verletzt. Doch dies derart lupenreine - im wahrsten Sinne des Wortes - Partikularinteresse Schröders hat indes etwas brutal Machiavellistisches. Es setzt ein fatales Signal für die politischen Sitten, die ja nichts anderes als stillschweigende, aber geltende Übereinkünfte sind.

Rüdiger Scheidges

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